Eine Lektüre "von oben herab" werde dem Dokument nicht gerecht, so der Leiter der vatikanischen Missionskongregation am Dienstag bei einem Online-Seminar der Weltunion katholischer Frauenverbände (WUCWO) in Rom.
Als eine mögliche Reaktion auf das Anfang Oktober veröffentliche Papstschreiben "über Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft" empfahl Tagle, etwa Geschichten von Frauen zu sammeln, "die gelitten und sich trotzdem nicht gegenüber anderen verschlossen haben". Er kenne vieler solcher Erlebnisse und Erfahrungen. In diesen finde er "die Wahrheit von 'Fratelli tutti' bestätigt".
Keine romantisch-utopische Sichtweise
Dem Papst gehe es unter anderem darum Gewalt, Ungerechtigkeit und Abschottung mit dem Blickwinkel des christlichen Glaubens zu betrachten und so vor allem liebend für andere Menschen offen zu sein, so der philippinische Kurienkardinal weiter. Dies sei keine romantisch-utopische Sichtweise.
Entscheidend für die Lektüre der Enzyklika seien letztlich konkrete Reaktionen. Ohne sich mit konkreten Menschen abzugeben, habe Begeisterung für hehre Ziele von Solidarität und Gerechtigkeit keinen Wert. In diesem Sinne bedeutet universale Solidarität nach Tagles Aussage keine weltweite Einheitskultur, sondern eine Anerkennung örtlicher Kulturen und Besonderheiten.
Privateigentum, so der Kardinal weiter, sei ein schützenswertes, aber kein absolutes Gut. "Auch wenn ich mein Eigentum ehrlich erworben habe, muss ich davon abgeben, wenn es das Gemeinwohl erfordert".