Münchner Pfarrer Schießler sieht Karfreitag als unersetzlichen Tag

"Kein Leben wird zugrunde gehen, sondern vollendet"

Pfarrer Rainer Maria Schießler spricht im DOMRADIO.DE-Interview über Palmsonntag mit Esel, den Karfreitag als Konfrontation mit dem Tod und eine besondere Osteraktion in Sankt Maximilian, bevor die Kirche für zwei Jahre schließt.

Autor/in:
Carsten Döpp
Pfarrer Rainer Maria Schießler (links) und der Palmesel (privat)
Pfarrer Rainer Maria Schießler (links) und der Palmesel / ( privat )

DOMRADIO.DE: Am Palmsonntag ist Jesus auf einem Esel in Jerusalem eingezogen. Wie war der Palmsonntag bei Ihnen im Münchner Glockenbachviertel?

Pfarrer Rainer Maria Schießler / © Dieter Mayr/KNA (KNA)

Pfarrer Rainer Maria Schießler (Kath. Pfarramt Sankt Maximilian, München): Ja, einen Esel hatten wir auch dabei, den Coco. Unsere Palmsonntagsprozession ist schon beinahe eine Esel-Familientradition: Coco ist unser dritter Esel. Sein Großvater Kilian war der erste. Danach kam der Rudi und jetzt ist Coco dran. So ein Esel ist natürlich ein Blickfang, aber ich sage den Leuten immer wieder, dass es hier nicht um den Esel geht, nicht um die Effekthascherei, sondern um dieses Symbol, das Jesus selbst gewählt hat. Er ist mit einem Tragtier der armen Leute zu den Menschen gekommen, um seine Botschaft zu überbringen, nicht mit einem Streitross. Wenn Jesus vom Frieden und von Herrschaft spricht, geht es um eine andere Herrschaft und einen anderen Frieden als den, den uns die Mächtigen in dieser Welt versprechen.

Wir sind mitten in solchen Zeiten, in denen Autokraten sich in dieser Welt aufführen wie Möchtegerngötter. Unsere Entsprechung zum Esel heißt Papst Franziskus. Er kommt mit dem Rollstuhl und im Gewand eines Kranken in den Petersdom. Ich war faszinierter von diesen Bildern.

Rainer Maria Schießler

"Für mich gibt es einen Satz in der Karfreitagsliturgie aus der Lesung des Hebräerbriefes, der mich jedes Jahr aufs Neue bewegt."

DOMRADIO.DE: Die kommenden wichtigen Tage dieser Karwoche sind der Gründonnerstag und der Karfreitag, an dem wir dem Leiden und Sterben Jesus am Kreuz gedenken. Was bedeutet dieser Tag heute für Christen?

Schießler: Er bedeutet, dass wir uns dem Tod stellen. Wir haben am Aschermittwoch mit dem Zeichen der Aschenauflegung angefangen und am Karfreitag erfährt das seinen Höhepunkt. Wir stellen uns dem Tod. Wir habe einen Herrgott, der uns nicht Honig auf die Augen schmiert und sagt, dass wir uns nicht fürchten müssen, sondern der mit uns in diesen Tod hineingeht.

Für mich gibt es einen Satz in der Karfreitagsliturgie aus der Lesung des Hebräerbriefes, der mich jedes Jahr aufs Neue bewegt. Den Satz habe ich sogar auf dem Sterbebild meines Vaters abgedruckt. Dort heißt es: "Als er noch auf der Erde lebte, hat Jesus sich im Gebet mit Bitten und Flehen an Gott gewandt, der ihn vom Tod retten konnte“ (Hebr 5,7). Jedes Jahr an Karfreitag zu erleben wie Jesus in seinen Vater hinein stirbt. Nicht aus Freude, nicht aus Todessehnsucht, Nekrophilietät der Christen oder darum es aushalten zu können, sondern durch den Tod getragen und begleitet zu werden.

Pfarrer Schießler und sein Team am Palmsonntag, inklusive Esel (privat)
Pfarrer Schießler und sein Team am Palmsonntag, inklusive Esel / ( privat )

Darum ist der Karfreitag ein unersetzlich wichtiger Tag. Deswegen kann ich diese Diskussion um den stillen Feiertag und das Tanzverbot nicht verstehen, weil ich finde, dass die Thematik des Karfreitags so elementar ist, dass man gar kein Christ sein muss, um mit den Menschen über Tod und Sterben reden zu können. Auf diese Fragen hat Gott eine Antwort.

DOMRADIO.DE: Nach Karfreitag beginnt die österliche Festzeit. Wie bereiten Sie sich auf Ostern vor?

Schießler: Wir feiern die Osternacht klassisch in der Früh am Ostersonntag. In diesem Jahr haben wir als Gemeinde etwas Besonderes. Weil wir vom Ostermontag an unsere Kirche für mehrere Jahre für Renovierungsarbeiten schließen, haben wir die Leute eingeladen Taschen mit Lebensmitteln zu packen, die den Osterschmuck in der Kirche bilden werden.

Rainer Maria Schießler

"Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?"

Wir wollen nicht groß in Blumen und Osterschmuck investieren, wenn der nur kurz zu sehen ist, bevor die Kirche schließt. Das wäre verlorenes Geld, was wir da ausgeben würden. Wenn wir am Ostermontag dann die Kirche schließen, kommt ein Lastwagen, der die Taschen abholt und zur Münchner Tafel bringt. Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass das Leben dazu da ist, dass wir es teilen. Gott schenkt uns in der Auferstehung ein Leben, das über den Tod hinaus geht.

DOMRADIO.DE: Und ein Osterlachen bekommen wir von Ihnen auch wieder?

Schießler: Natürlich, ich habe einen wunderbaren Witz, den kann ich aber nicht vorab erzählen. Das Osterlachen ist ganz wichtig. Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg? Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern mit tiefer innerer Zuversicht. Kein Leben wird zugrunde gehen, sondern es wird vollendet. Vollendet in einer unglaublichen Begegnung mit Gott selbst.

DOMRADIO.DE: Das Osterfest in diesem Jahr ist für Sie und die Gemeinde St. Maximilian ein besonderes. Nach dem Gottesdienst am Ostermontag wird die Kirche für mindestens zwei Jahre geschlossen. Wie sehr trifft Sie das?

Schießler: Sehr. Ich will keinem zu nahe treten. Niemand kann etwas dafür. Es geht nicht um Schönheitsreparaturen, sondern um unabwendbare Baumaßnahmen zur Statik und dem Brandschutz. Das muss gemacht werden, aber uns fehlt dadurch mehr als nur der Raum, wo wir Gottesdienst feiern. Für uns als Gemeinde ist es immer schon ein Lebensraum gewesen. Es finden in dieser Zeit also auch keine Veranstaltungen mehr statt, keine Konzerte. Den Kindern wird unsere Jahreskrippe genommen, die bei uns gestaltet wird. Es fehlt ein Stück Heimat. 

Rainer Maria Schießler

"Es fehlt das wichtigste Stück aus dem Körper einer Gemeinde."

Wir werden am Ostermontag davon Abschied nehmen. Wir tun es feierlich, aber nicht festlich. Dafür haben wir einen tollen Gottesdienst vorbereitet in dem die Kirche zu Wort kommt und sich von den Gläubigen verabschiedet. Den restlichen Tag halten wir uns in der Kirche auf. Es gibt zu Essen, zu Trinken, eine Tombola und alles Mögliche. Um 17 Uhr feiern wir dann die letzte Vesper zur Übertragung des Allerheiligsten in die Seitenkapelle, die wir weiter benutzen können. Danach schließen wir zu und sagen: 'Auf Wiederschauen'.

DOMRADIO.DE: Weiter geht es dann in der Ausweichkirche St. Anton?

Schießler: Wir können in der Nachbargemeinde alle 14 Tage unseren eigenen Gottesdienst feiern. Natürlich auch jeden Sonntag mitfeiern, damit wenigstens ein Sonntagsgottesdienst für die Gemeinde stattfindet. Werktags können wir die Kapelle von St. Maximilian benutzen, auch für Taufen und kleine Hochzeiten, aber es fehlt das wichtigste Stück aus dem Körper einer Gemeinde.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR

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