DOMRADIO.DE: Wie genau versuchen Sie, die Nächstenliebe im Sinne von Mutter Teresa in Essen umzusetzen?
Sr. Lumena (Missionarinnen der Nächstenliebe, Essen): Unsere Aufgabe ist immer, dorthin zu gehen, wo es die Ärmsten der Armen gibt. Und die gibt es in jeder Stadt auf verschiedene Art und Weise. Eine Sache ist, dass die Leute zu uns kommen, die zu wenig haben, die von der Suppenküche leben. Wir haben aber immer den persönlichen Kontakt von Angesicht zu Angesicht, um mit den Leuten auch ins Gespräch zu kommen. Wesentlich ist, dass wir die Leute auch suchen, aufsuchen in der Stadt, wo sie sich zum Teil verborgen halten. Das ist unsere Aufgabe auf der ganzen Welt, immer wieder die Ärmsten zu suchen und sie auch dann zu finden und ihnen nahe zu sein. Das ist die letzte Möglichkeit, dass die Menschen wieder in Kontakt mit Menschen kommen.
DOMRADIO.DE: Wir sind in Deutschland in einem reichen Land. Wie genau hat sich das entwickelt mit den Ärmsten der Armen? Wie sieht das in Essen aus?
Sr. Lumena: Es gibt ja sehr viele, die arm sind. Aber die Ärmsten der Armen, das sind die, die überhaupt niemanden mehr haben, wo sich keiner um sie kümmert, die sich ausgestoßen fühlen, alleine, verlassen. Vielleicht ist die größte Armut, Gott nicht zu kennen.
DOMRADIO.DE: Ein Gelübde der Schwestern der Mutter Teresa lautet ja auch, den Ärmsten der Armen aus ganzem Herzen und ohne Gegenleistung zu dienen. Was heißt das genau?
Sr. Lumena: In den Ärmsten der Armen sehen wir Christus, den leidenden Christus oder den ausgestoßenen Christus oder den Christus, der sich selber nicht mehr findet. Christus im Ärmsten zu dienen, ist dasselbe für uns wie in der Anbetung oder wie in der heiligen Eucharistie Christus zu begegnen.
DOMRADIO.DE: Mutter Teresa wurde aber auch kritisiert. Sie hat zum Beispiel moderne Medizin in ihren Häusern bewusst abgelehnt. Auch bei der Finanzierung ihres Hospizes war einiges unklar. Haben wir da manchmal vielleicht ein beschönigtes Bild von der Heiligen?
Sr. Lumena: Ich weiß nicht, auf welchen Beweisen solche Argumente beruhen. Es ist nicht so, dass wir etwas ablehnen. Im Gegenteil, wir haben sehr viele Mediziner, sehr viele Helfer von außen, die kommen und bei uns mithelfen. Es geht nicht um Ablehnung oder dass wir den Leuten etwas verweigern. Wir haben offene Türen. Und wenn sie Leute reinlassen in ihre Wohnung und dann außen kritisiert werden, ist das eine Sache. Man muss sich natürlich immer fragen "Was ist dran und was nicht?" Aber ich glaube, Mutter Teresa war ein Vorbild, mit Lob und mit Kritik umgehen zu können. Das heißt, sie hat alles Christus hingehalten.
DOMRADIO.DE: Ihre Schwestern in Indien haben es nicht leicht. Vor kurzem hat die indische Regierung ihrer Hilfsorganisation "Missionaries of Charity" verboten, Spenden aus dem Ausland zu bekommen. 600 Millionen Euro könnten da pro Jahr in Zukunft fehlen. Was bedeutet das ganz konkret für Ihre Schwestern dort?
Sr. Lumena: Das ist ja jetzt nicht einmalig oder nur auf dort bezogen, sondern es passieren immer wieder Dinge. Wir leben risikofreudig als Schwestern, so oder so, wo immer wir hingehen. Und das heißt, da, wo etwas nicht so geht, wie man sich das jetzt menschlich gesehen wünscht, da halten wir das Christus hin und dann beten wir. Und ich kann Ihnen sagen, es dauerte keine zwei Wochen, da hat sich das beigelegt, weil bei uns der Herr der Meister ist, und wir verlassen uns auf ihn.
DOMRADIO.DE: Wie hat Mutter Teresa Sie denn in ihrem persönlichen Glauben geprägt?
Sr. Lumena: Zu unserer Spiritualität gehört liebevolles Vertrauen, totale Hingabe und Frohsinn. Und mit der Hilfe Gottes können wir das so beschreiten. Das heißt, wir sind gestärkt im Gebet. Wir haben die heilige Eucharistie jeden Tag. Wir haben jeden Tag eine Stunde Anbetung. Das heißt, wir müssen selber auch immer wieder von dieser Kraft und von dieser Liebe Christi leben. Und dann können wir die ja auch den Menschen bringen.
Das Interview führte Heike Sicconi.