Im Kölner Karneval hat ein Motivwagen des Rosenmontagszuges zum Thema Missbrauch für heftige Kontroversen gesorgt. Er zeigt einen Beichtstuhl, auf dem in roten Lettern der Schriftzug "Jesus liebt dich" steht.
Aus dem Beichtstuhl ragt ein Arm eines Geistlichen, der mit gekrümmtem Zeigefinger einen davor stehenden Messdiener zu sich locken will. Kirche und Politik protestieren. Der Tenor: Nichts sei mehr heilig.
Dabei sind bei unzähligen Veranstaltungen Karneval und Kirche eng verknüpft: Mit einem Karnevalsgottesdienst in der Kölner Innenstadtkirche Sankt Agnes feierten Jecken den Start in die närrische Woche mal besinnlich, mal ausgelassen.
Eko Fresh, Kai Engel und die Brüder Peter und Stephan Brings betonten mit ihrem aktuellen Sessionshit "Bunte Brücke", "dass es mehr gibt, was uns eint als was uns trennt". Auch als politisches Statement nach der Bundestagswahl stellten die Organisatoren des Gottesdienstes das Verbindende zwischen allen Menschen in den Mittelpunkt der Feier.
Thema in vielen kölschen Liedern: der liebe Gott
In diesem "Fastelovendsgottesdienst" waren zahlreiche weitere Größen des kölschen Brauchtums zu Gast - unentgeltlich, wie die Organisatoren betonten. Da durfte der "Stammbaum" von und mit ehemaligen Mitgliedern der Bläck Fööss nicht fehlen. Und Bastian Campmann und Florian Peil von der Musikgruppe Kasalla interpretiertenihr beliebtes "Mir sin Eins".
Der verantwortliche Pastoralreferent Peter Otten betete: "Mir sin eins - das beten wir hück und dat betenwir an Fastelovend. Lass uns nicht up dat luure, wat uns trennt, sondern lass uns das leev halten, was uns verbindt." (Wir sind eins - das beten wir heute und das beten wir an Karneval.

Lass uns nicht auf das schauen, was uns trennt, sondern lass uns das würdigen, was uns verbindet.) Er ergänzte: "Lass den Karneval ein Anschub sein, dass wir das ganze Jahr die Kraft und den Mut haben, die Güte und die Liebe zu leben."
Und auch in den Kölner Karnevalssitzungen spielen die katholischen Wurzeln des rheinischen Frohsinns immer wieder eine prominente Rolle - wie bei der ARD-Fernsehsitzung, die am Rosenmontag zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird. Dabei kommen explizite Bezüge zum "leeve Jott" (lieben Gott) nicht nur in den Liedern von Karnevalsbands wie Brings und Co vor.
Glaubensbekenntnisse bei ARD-Fernsehsitzung
Bei der Aufzeichnung der Sitzung traten gleich zwei der prominentesten Redner auf die Bühne und bekannten "Ich bin gerne katholisch". Einer von ihnen ist Fernsehmoderator und Büttenredner Guido Cantz. Er absolviert mehrere hundert Auftritte zwischen Januar und Aschermittwoch. In diesem Jahr immer dabei: sein Bekenntnis zum Katholizismus.
"Ich möchte ein Zeichen setzen", sagt er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Praktizierender Katholik zu sein, sei heute fast schon exotisch. Doch bei vielen komme dieser "fromme" Einstieg gut an. Negative Reaktionen habe er noch keine bekommen.
In seinem mehr als 20-minütigen Bühnenprogramm geht Cantz dann jedoch nicht über sein Bekenntnis zu Katholizismus und Gebet hinaus. Anders als beim Thema Politik spart er in diesem Jahr mit Kirchen-Kritik. Darauf angesprochen, sagte er der KNA: "Man sollte sich nicht ständigwiederholen." Schließlich sei er in den vergangenen Jahren sehr kirchenkritisch gewesen.
Kirchenkritik von bekennendem Katholiken
Einen deutlich spitzeren Zungenschlag in Sachen Kirche hat eine weitere Größe des rheinischen Karnevals: Büttenredner Marc Metzger. Er tourt als "Dä Blötschkopp" im Clownskostüm durch die Säle und bekennt auf der Bühne:
"Ich bin jetzt seit 52 Jahren Mitglied im Katholischen Verein. Ich bleib auch dabei." Im Gespräch mit KNA betont er: "Selbstkritik ist wichtig. Nur wenn man Teil des Vereins ist, darf man auch Kritik äußern." So thematisiert er bei seinen mehr als 200 Auftritten im Kölner Karneval auch Missbrauch in der katholischen Kirche mit deutlichen Worten.

Auffallend sei, so Metzger, dass das religiöse und kirchliche Wissen immer mehr verloren gehe - "vor allem in den vergangenen zehn Jahren". Auch das macht er auf der Bühne zum Thema: Ganz still werde es etwa, wenn es um biblische Geschichten gehe, so Metzger zur KNA:
"Da sagst du See Genezareth, da gucken sie dich alle an, als hätten sie im falschen Bus gesessen." Sein Programm besteht zu gut einem Fünftel aus religiösen Anspielungen. "Meistens sitzen die Pastöre beim Karneval in der ersten Reihe. Auch die können bei Kirchenkritik beherzt loslachen", so Metzger weiter. Das sei wichtig.
Grenzen des Humors
Dabei macht Metzger weder vor dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki noch vor Missbrauch oder Jesus halt. Er wolle aber niemanden mit seinem Programm kränken, fügt er hinzu. Dabei nehme er sich selbst als Maßstab: "Wenn ich mich als Christ beleidigt fühlen würde, würde ich einen Witz auf der Bühne nicht machen."
Und der Jesus-Wagen im Rosenmontagszug, den das Erzbistum Köln und einige CDU-Politiker kritisiert haben? Da hat der praktizierende Katholik etwas Bauchschmerzen: "Der Missbrauchswagen im Rosenmontagszug ist gerechtfertigt. Aber der Schriftzug mit Jesus ist falsch gewählt. Ich würde den Slogan ändern."
Die Aussage "Jesus liebt dich" sei für ihn als Christen "unheimlich positiv besetzt", so Metzger weiter. Das so unmittelbar in Verbindungmit Missbrauch zu bringen, finde er nicht gut. Aber auch hier gelte, was er sich für sein eigenes Bühnenprogramm zum Maßstab genommen habe: "Wenn die Macher dahinterstehen können, dann sollen sie es machen."