Am 17. Januar um 12.29 Uhr, am 22. März um 20.45 Uhr und am 27. März um 17.27 Uhr läutet jedes Jahr die Totenglocke des Paderborner Domes. Die Glocke erklingt zu den Uhrzeiten, an denen im Jahr 1945 drei große Luftangriffe auf Paderborn begannen: Hunderte Menschen verloren ihr Leben durch die Bombardements, die Stadt war tagelang ein Flammenmeer mit dem brennenden Dom-Turm im Zentrum.
"Durch das Läuten der Totenglocke und mit weiteren Erinnerungs-Orten am Dom halten wir das Gedenken an die Menschen wach, die durch die Bomben auf Paderborn ihr Leben verloren haben", erklärt Dompropst Joachim Göbel. Gerade angesichts heutiger Kriege und kriegerischer Konflikte sei das jährliche Gedenken ein "wichtiger Appell für den Frieden".
"Seit über zwei Jahren kostet der russische Angriffskrieg in der Ukraine Menschenleben. Auch die erneute kriegerische Eskalation im Heiligen Land führt uns schmerzlich vor Augen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist", betont der Dompropst. An den Gedenktagen der Luftangriffe auf Paderborn sei jede und jeder eingeladen, im Dom ein erinnerndes Gebet zu sprechen oder eine Kerze zu entzünden. "Trotz vieler gesellschaftlicher Polarisierungen haben wir großen Grund zur Dankbarkeit, dass fast 80 Jahre nach den verheerenden Luftangriffen Frieden in unserem Land herrscht", sagte Dompropst Msgr. Göbel.
In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges wurde Paderborn mehrfach aus der Luft bombardiert. Vor allem drei Luftangriffe verursachten in der Paderborner Innenstadt 1945 große Zerstörungen und forderten zahlreiche Menschenleben: Am 17. Januar verloren 240 Menschen ihr Leben, am 22. März 40, 14 davon im Kreuzgang des Domes. Dem größten Luftangriff am 27. März fielen 345 Menschenleben zum Opfer.
Dem Erdboden gleichgemacht
Der 27. März 1945 markiert damit für die Stadt Paderborn die größte Katastrophe ihrer Geschichte: In weniger als einer halben Stunde machten 270 Bomber der britischen Luftwaffe die Stadt dem Erdboden gleich. Der Angriff erfolgte ab 17.27 Uhr in vier Wellen: Sprengbomben, Luftminen, Brandbomben und Bomben mit Zeitzündern gingen nacheinander auf die Stadt nieder. Über die 345 Menschenleben hinaus wurden 2.000 Gebäude zerstört, rund weitere 1.600 leicht bis schwer beschädigt. Von der Innenstadt blieben lediglich 15 Prozent unzerstört. Paderborn gehörte zu den am stärksten zerstörten Städten Deutschlands, obwohl es weder eine Großstadt noch ein Industriezentrum von strategischer Bedeutung war.
Im Augenzeugenbericht "Die brennende Stadt" von Hermann Bieker, 1945 Vikar in der Herz-Jesu-Gemeinde in Paderborn, schildert er die Stadt als ein einziges großes Flammenmeer, das tagelang nicht verlosch – und im Zentrum die "Fackel des brennenden Doms", bis auch dieser, wie ein Symbol für die Zerstörung der Stadt, in sich zusammenfiel.
Regelmäßiges Gedenken
Im Hohen Dom wird neben dem Läuten der Totenglocke jedes Jahr vielfältig der Opfer der Luftangriffe gedacht. Der zweite Giebel auf der Südseite des Langhauses des Domes wurde bei einem der Bombenangriffe vollständig zerstört. Die beim Wiederaufbau in der Form eines Erkers im Giebel angebrachte Totenleuchte und die Inschrift an der Basis des Giebels erinnern an die Zerstörung von Paderborn. An den Jahrestagen der Luftangriffe sowie zu Allerseelen wird dort ein Licht entzündet. Am Nordausgang des Kreuzganges erinnert eine im Jahr 1973 von der Paderborner Künstlerin Agnes Mann (1907-1994) mit Mosaiken ausgestattete Gedächtniskapelle an die Toten der Bombenangriffe, besonders an die 14 Toten, die durch eine Luftmine am 22. März 1945 im Kreuzgang umkamen. Die Reste einer Luftmine von diesem Angriff sind am Eingang zum Kapitelsfriedhof zu sehen.