Papst nimmt Europa in die Pflicht und macht in Luxemburg Mut

Tag eins der Luxemburg-Belgien-Reise

Der Papst im Herzen Europas. Dort, wo die katholische Kirche schrumpft. Luxemburg geht es nicht anders als anderen Ländern. Für den zunächst etwas matt wirkenden Pontifex kein Grund zur Resignation, wie seine kraftvolle Rede zeigte.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt und Ludwig Ring-Eifel

Schreckmoment am Donnerstagfrüh im "Papstflieger" nach Luxemburg: Anders als üblich verzichtete Franziskus auf das persönliche Händeschütteln mit den mitreisenden Journalisten. Er fühle sich gerade nicht in der Lage zu dieser "Wegstrecke", sagte er mit Blick auf die enge, arg schwankende Flugzeugkabine.

Schon am Montag hatte die Mitteilung, der Papst lasse wegen einer "leichten Grippe" für einen Tag die Amtsgeschäfte ruhen, Zweifel an der bevorstehenden Reise aufkommen lassen. Doch im kleinen Großherzogtum gewann der 87-Jährige zusehends an Kraft.

Mahnungen an die reiche Finanzmetropole

Ankunft von Papst Franziskus am Luxemburger Flughafen Findel am 26. September 2024 in Luxemburg. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Ankunft von Papst Franziskus am Luxemburger Flughafen Findel am 26. September 2024 in Luxemburg. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Nach den protokollarischen Ehren am Flughafen Findel, wo er vom Monarchenpaar Henri und Maria Teresa und von Premierminister Luc Frieden empfangen wurde, ging es zum Palast des Herrschers. Beim Foto mit der Großherzoglichen Großfamilie sah man den Papst dann glücklich lächeln: Umgeben vom Herrscherpaar, dessen fünf Kindern und acht Enkeln schien er ganz in seinem Element. Im Oktober will Henri (69) die Amtsgeschäfte nach 24 Jahren an seinen ältesten Sohn Guillaume abgeben. Der Besuch des Papstes auf persönliche Einladung von Henri mag auch eine Belohnung für die lange Amtszeit des katholischen Regenten sein.

Aber es war dann doch die politische Weltlage, die Franziskus in den Fokus rückte. Im "Cercle Cite", fast in Rufweite von EU-Institutionen wie dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), erinnerte er an die Werte, für die der europäische Kontinent stehe. Vor Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft, darunter europäischen Größen wie den Ex-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und Jacques Santer sowie der Präsidentin der Europäischen Investitionsbank, Nadia Calvino, kritisierte er "Gräben und Feindschaften" in Europa, "die zu offenen Feindseligkeiten mit ihren zerstörerischen und tödlichen Folgen führen".

Bad in der manchmal spärlichen Menge

Luxemburg, das selbst mehrfach Opfer von Krieg, Besatzung und Zerstörung war, könne "allen zeigen, welche Vorteile der Frieden gegenüber den Schrecken des Krieges hat, welche Vorteile die Integration und Förderung von Migranten gegenüber ihrer Ausgrenzung hat, welchen Gewinn die Zusammenarbeit der Nationen darstellt", sagte er. Lob äußerte Franziskus auch für die Willkommenskultur in der Finanzmetropole, doch appellierte er auch an die Verantwortung der wohlhabenden Bevölkerung für ärmere Länder.

Papst Franziskus begrüßt Kinder bei einem Treffen mit Regierungsvertretern, Vertretern der Zivilgesellschaft und des Diplomatischen Corps, am 26. September 2024 in Luxemburg. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus begrüßt Kinder bei einem Treffen mit Regierungsvertretern, Vertretern der Zivilgesellschaft und des Diplomatischen Corps, am 26. September 2024 in Luxemburg. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Die Luxemburger zeigten sich in nicht überbordender Zahl auf den großflächig abgesperrten Straßen. Einzelne Abschnitte blieben ganz leer, während an anderen Teilen viele hundert Menschen im Regen ausharrten, um einen Blick auf den Pontifex erhaschen zu können. Das "Bad in der Menge", das Franziskus vormittags im weißen Kleinwagen nahm, tat dem 87-Jährigen sichtlich gut: Immer wieder musste das Gefährt anhalten, weil der Papst Hände schüttelte oder Kinderköpfe streichelte. Später war er im glasbedachten "Papamobil" unterwegs, so dass er von mehr Menschen gesehen werden konnte - ohne selbst nass zu werden.

Papst macht der Kirche in Luxemburg Mut

Schon morgens erklang festliches Läuten von der Kathedrale des katholisch grundierten, aber seit etlichen Jahren stark säkularisierten Landes. Im Zuge der Trennung von Staat und Kirche verzichtete diese auf etliche Privilegien, erwarb aber auch größere Unabhängigkeit. Dass das katholische Kirchenoberhaupt im Großherzogtum dennoch willkommen ist, betonten Julie und George von der - nicht katholischen - Pfadfinderorganisation "fnel Luxemburg": "Der Papst steht ja für Werte, die wir auch verkörpern: zusammenarbeiten über Grenzen hinweg, den Mitmenschen Beachtung und Hilfe schenken", umrissen die zwei Mittzwanziger einen konsensfähigen Humanismus.

Nachmittags in der Kathedrale bei der Begegnung mit den Katholiken stand neben Singen und Beten eine weiteren Papstansprache auf dem Programm. Papst Franziskus will, dass die katholische Kirche in Europa die Herausforderungen einer säkularisierten Gesellschaft annimmt. Bei einer Begegnung mit mehreren hundert Katholiken in der Kathedrale von Luxemburg sagte er: "Die Kirche entwickelt sich, sie reift und wächst in einer säkularisierten Gesellschaft. Sie zieht sich nicht traurig und resigniert auf sich selbst zurück, sondern sie nimmt vielmehr die Herausforderung an, in Treue zu den Werten aller Zeiten die Möglichkeiten der Evangelisierung neu zu entdecken und zu erschließen, indem sie mehr und mehr von einem einfachen Ansatz der Seelsorge zu einem Ansatz der missionarischen Verkündigung übergeht", sagte Franziskus. "Dafür braucht es Mut!"

Mehr "Synodalität"

Zu dieser Entwicklung, so der Papst, gehöre auch das Teilen von Verantwortlichkeiten und Diensten in der Kirche und mehr "Synodalität" unter ihren Mitgliedern. Dabei gehe es nicht darum, die Zahl der Katholiken zu erhöhen und Menschen zum Glauben der Kirche zu bekehren. Zentral sei vielmehr der "Wunsch, möglichst vielen Brüdern und Schwestern die Freude der Begegnung mit Christus zu vermitteln".

Weiter sagte der Papst: "Die Liebe treibt uns an, das Evangelium zu verkünden, indem sie uns offen macht für die Anderen, und die Herausforderung der Verkündigung lässt uns als Gemeinschaft wachsen und hilft uns, die Angst zu überwinden, neue Wege zu beschreiten, und veranlasst uns, den Beitrag aller dankbar anzunehmen."

Kritik einer Katholikin

Die Vizepräsidentin des Diözesanpastoralrats von Luxemburg, Christine Bußhardt, dankte dem Papst für seine Anstöße für eine Erneuerung der Kirche in einem weltweiten Beratungs-Prozess. Dieser zeige bereits erste Früchte für die Erneuerung des Glaubens. Zugleich betonte sie: "Es wäre unredlich, wenn ich die Enttäuschung verbergen würde, die Teil unseres kirchlichen Alltags ist. Viele fühlen sich nicht gleichberechtigt behandelt und haben die Talente, die ihnen anvertraut wurden, vergraben." Der Papst ermutigte sie nach ihrer Rede, auf ihrem Weg weiter voranzugehen.

Franziskus nutzte das Treffen auch, um über die Aufnahme von Ausländern und Migranten zu sprechen. Er sagte: "Der Geist des Evangeliums ist ein Geist des Annehmens, der Offenheit für alle, und er lässt keine Form der Ausgrenzung zu. Ich ermutige euch daher, diesem Erbe und diesem eurem Reichtum treu zu bleiben und euer Land weiterhin zu einem offenen Haus für jeden zu machen, der an eure Tür klopft und um Hilfe und Gastfreundschaft bittet. Es handelt sich dabei um eine Pflicht der Gerechtigkeit, mehr noch als um eine Pflicht der Nächstenliebe."

Ausblick Weltsynode

Auch der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich sollte dort reden. In seiner Begrüßungsansprache gesagt: "Die Kirche in Luxemburg entwickelt sich in einer stark säkularisierten Gesellschaft, mit ihren Leiden und Schwierigkeiten, aber auch mit ihren Wegen der Hoffnung. Wir wollen uns auf einen Weg der Erneuerung machen." Hollerich hatte maßgeblich zum Zustandekommen des Papstbesuchs beigetragen. Der Kardinal hat bei der am Dienstag beginnenden finalen Runde der Weltsynode in Rom, einem Lieblingsprojekt des Papstes, eine zentrale Rolle. Am Abend stand für Franziskus die Weiterreise nach Belgien an, wo das Programm am Freitagmorgen weitergeht.

Kirche in Luxemburg

Luxemburg, zweitkleinster Mitgliedsstaat der Europäischen Union, ist seit dem 6. Jahrhundert katholisch geprägt. Von den rund 630.000 Einwohnern sind etwa 70 Prozent katholisch getauft, der Anteil der praktizierenden Katholiken ist allerdings seit rund 50 Jahren stark rückläufig. 

Auch der gesellschaftliche und politische Einfluss der Kirche geht zurück. Ihr gehörte noch Ende des 20. Jahrhunderts die wichtigste Tageszeitung, Religionsunterricht war Pflichtfach in der Schule; Staat, Kirche und die Christlich-Soziale Volkspartei CSV waren eng verbunden. 

Blick auf die Kathedrale von Luxemburg / © Mikalai Nick Zastsenski (KNA)
Blick auf die Kathedrale von Luxemburg / © Mikalai Nick Zastsenski ( KNA )
Quelle:
KNA