Auf internationalem Parkett ist er ein willkommener Gast, in der christlichen Ökumene ein geschätzter Partner. Und dennoch: Für den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., der am Samstag (bzw. 29. Februar) 85 Jahre alt wird, läuft es in der Summe nicht mehr rund.
Das betrifft nicht nur das seit Jahrzehnten schwierige Verhältnis zum türkischen Staat, sondern mehr noch die anhaltenden Konflikte in der Weltorthodoxie, deren Lösung nicht absehbar ist. Der Moskauer Patriarch Kyrill I., dessen Kirche die Gemeinschaft mit Konstantinopel aufgekündigt hat, dürfte nicht zu den Gratulanten gehören.
"Mutterkirche"
Seit 1991 ist Bartholomaios I. Patriarch der einstigen römischen Kaiserstadt am Bosporus und damit das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie. Wie dieses Amt auszufüllen ist, gehört zu den innerorthodoxen Streitpunkten: Während Bartholomaios die Rolle Konstantinopels als "Mutterkirche" der Orthodoxie stark betont und die Koordinationsfunktion für die eigenständigen orthodoxen Kirchen beansprucht, wird ihm von Moskau und anderen der Vorwurf gemacht, damit das katholische Organisationsmodell kopieren zu wollen.

Sichtbar wurde der Konflikt 2016 beim jahrzehntelang vorbereiteten orthodoxen Konzil von Kreta, das der Höhepunkt der Amtszeit des Patriarchen werden sollte. Es wurde durch die Absagen Moskaus und dreier anderer Kirchen in seiner Bedeutung stark geschmälert.
Der Streit verschärfte sich, als Bartholomaios I. in der Ukraine, um die dortige Kirchenspaltung zu überwinden, eine von Moskau unabhängige Neugründung unterstützte. Dies führte zum Bruch mit Kyrill, Oberhaupt der bei weitem mitgliederstärksten orthodoxen Teilkirche. Für Bartholomaios, der sein Amt als Dienst an der Einheit versteht, ist das schmerzlich - doch kein Grund, von dem als richtig angesehenen Weg abzuweichen.
Eiszeit mit Moskau
Im russisch-ukrainischen Krieg ist der Patriarch unmittelbar involviert. Sein Moskauer Amtsbruder Kyrill I. ist ein Verfechter des Krieges von Wladimir Putin - während Bartholomaios I. beharrlich die rechtliche Ablösung der ukrainisch-orthodoxen Kirche unterstützt. Zwischen Moskau und Istanbul herrscht seither kirchenrechtlich Eiszeit.

Dagegen ist Bartholomaios I., inzwischen schon seit über 33 Jahren im Amt, ein Motor der Ost-West-Ökumene und ein Förderer des interreligiösen Dialogs - zusammen mit Papst Franziskus, aber auch und vor allem mit Benedikt XVI., der 2005 als ein Papst der Ökumene angetreten war. Fanatikern hält der Patriarch immer wieder entgegen: "Krieg im Namen der Religion ist Krieg gegen die Religion."
Internationale Studien
Geboren wurde Bartholomaios am 29. Februar 1940 als Dimitrios Archondonis auf der türkischen Insel Imbros. Er studierte an der später von den türkischen Behörden geschlossenen Hochschule von Chalki und erhielt bei seiner Diakonenweihe den Namen des Apostels Bartholomäus. Zu weiteren Studien ging er nach Rom, Bossey in der Schweiz und München.
Als langjähriger Sekretär von Patriarch Demetrios (1972-1991) konnte er wichtige Erfahrungen für sein künftiges Amt sammeln. 1990 wurde der promovierte Kirchenrechtler, der sieben Sprachen fließend spricht, Metropolit von Chalcedon und damit ranghöchster Metropolit der Heiligen Synode; im Herbst 1991 wurde er zum 270. Nachfolger des Apostels Andreas und Ökumenischen Patriarchen gewählt.
Die türkische Regierung und Behörden erkennen freilich seine gesamtorthodoxen Aufgaben nicht an und betrachten ihn nur als Oberhaupt der offiziell wenigen tausend einheimischen griechisch-orthodoxen Christen. Doch immerhin ist es Bartholomaios in den vergangenen Jahren gelungen, historisch bedeutende Stätten wiederzubeleben und in den alten Gotteshäusern wieder Liturgie zu feiern.
"Religiöser Impulsgeber"
Der Weltkirchenrats-Funktionär und frühere EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm würdigte ihn als "einen der wichtigsten religiösen Impulsgeber unserer Zeit". Auch politisch stehen Bartholomaios I. viele Türen offen, zumindest im Westen. Bei seinen Deutschland-Besuchen 2014 und 2017 wurde er vom Bundespräsidenten und weiteren hohen staatlichen Repräsentanten empfangen.

Mehrmals besuchte der Patriarch den Vatikan und empfing umgekehrt drei Päpste in seinem Amtssitz, dem Phanar. Eng ist sein Verhältnis zu Papst Franziskus, mit dem ihn nicht zuletzt die Sorge um die Not von Flüchtlingen verbindet. Gleiches gilt für sein weiteres großes Anliegen, die Bewahrung der Schöpfung - auch ein Thema mit politischer Dimension. Sein ökologisches Engagement brachte ihm den Ehrennamen "Grüner Patriarch" ein.
Das Konstrukt des Ehrenprimats von Konstantinopel erklärt sich durch die Verfasstheit der Alten Kirche. Sie kannte seit der Antike, näherhin dem Konzil von Chalcedon 451, eine Rangfolge der fünf wichtigsten Patriarchate: Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Der byzantinische Mönch und Kirchenlehrer Theodor Studites (759-826) sprach von der "fünfhäuptigen Macht der Kirche" (griech. Pentarchie"). Gemeint war damit eine Leitungsgewalt der fünf Patriarchen - in gemeinsamer Verantwortung.
Einheitszentren der einen Kirche
Diese fünf stehen in gleicher Weise in der Nachfolge der Apostel - und sie wurden als die wichtigsten Einheitszentren der einen Kirche verstanden. Alle anderen Teilkirchen, so das Idealbild, mussten mit diesen fünf im Glauben verbunden sein.
Jedes Patriarchat der Pentarchie hatte sein je eigenes Territorium mit den ihm unterstellten Metropoliten, Bischöfen und Gläubigen zu leiten. Ein Übergriff eines Patriarchen in den Zuständigkeitsbereich des Kollegen war untersagt. Wenn wichtige Fragen zur Entscheidung anstanden, trafen sich die Bischöfe bei einem vom byzantinischen Kaiser einberufenen Ökumenischen Konzil. Der Kaiser hatte damit überall im Reich seine verlässlichen kirchlichen "Ansprechpartner".
Rom mit den Apostelgräbern von Petrus und Paulus kam dabei der Ehrenvorrang eines "Primus inter pares" zu (Erster unter Gleichen). Der Patriarch von Konstantinopel, Nachfolger des Apostels Andreas, nahm den zweiten Rang ein, da die Stadt als Regierungssitz des oströmischen Kaisers das "Zweite Rom" sei. Nach der Spaltung von 1054 schied Rom faktisch aus dieser Konstruktion aus. Konstantinopel übernahm den Ehrenvorrang, und Moskau rückte später in den Kanon der wichtigsten Patriarchate auf.