Patriarch Kyrill betet für Sieg Russlands

Keine Distanz zum Krieg

Regelmäßig billigt der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill den russischen Krieg gegen die Ukraine. Nun wirbt er für den Sieg der russischen Armee. Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Bartholomaios, rät ihm dagegen zum Rücktritt.

Autor/in:
Oliver Hinz
Patriarch  Kyrill I. (l.) / © Natalia Gileva (KNA)
Patriarch Kyrill I. (l.) / © Natalia Gileva ( KNA )

Sorgsam vermeidet der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. den Begriff "Heiliger Krieg". Den Einmarsch russischer Truppen im Nachbarland Ukraine unterstützt das Kirchenoberhaupt gleichwohl immer wieder voller Hingabe. In seiner jüngsten Sonntagspredigt rief er etwa zur Anrufung des heiligen Seraphim von Sarow auf, "damit er durch seine Fürsprache beim Herrn unserer Armee überall dort, wo militärische Operationen stattfinden, den Sieg gewährt, damit er die Menschen befriedet und versöhnt und damit jeder brudermörderische Streit auf dem Boden der historischen Rus' und jede ausländische Invasion aufhört".

Gerechter Krieg/Gerechter Friede

Die Notwendigkeit, Gewalt und Krieg mit dem christlichen Gebot von Nächstenliebe (auch gegenüber dem Feind) und Frieden vereinbar zu machen, brachte die Lehre vom Gerechten Krieg hervor. Demnach können nach Lehre der katholischen Kirche Kriegshandlungen gerechtfertigt sein, wenn bestimmte, eng gefasste Bedingungen erfüllt sind.

Das Bischöfliche Wort "Gerechter Friede" / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das Bischöfliche Wort "Gerechter Friede" / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Nicht freiwillig in die Schlacht begeben"

Kyrill I. machte aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zugleich einen Vernichtungsfeldzug des Westens: "Was heute geschieht, ist nicht nur ein weiterer militärischer Feldzug. Man hat den Eindruck, dass viele die orthodoxe Rus dem Erdboden gleichmachen wollen." Deshalb müsse für die russische Armee, den Staatspräsidenten und all jene gebetet werden, "von denen der Ausgang der Schlacht, in die wir uns nicht freiwillig begeben haben, wirklich abhängt", so der 75-Jährige.

Und so mag der Patriarch zwar zuletzt dem Generalsekretär des Weltkirchenrates (Ökumenischer Rat der Kirchen, ÖRK), Ioan Sauca, gesagt haben, dass "Krieg nicht heilig sein kann". Doch das ist nicht seine öffentliche Botschaft. Der Satz fehlt auch in dem ausführlichen Bericht des Moskauer Patriarchats über die Begegnung von Kyrill und Sauca in Moskau. Stattdessen verbreitete das Patriarchat auf seiner Website, der ÖRK schätze die russisch-orthodoxe Kirche sehr und wolle sie als Mitglied behalten. Ihr Beitrag für die ökumenische Bewegung und die Einheit der orthodoxen Kirche sei sehr wichtig. Ein Paradebeispiel, wie Kyrill I. solche Treffen für die eigene Propaganda nutzt und jede Verurteilung des Kriegs - auch durch den Weltkirchenrat - unterschlägt.

Das empört andere Mitglieder wie die evangelisch-reformierte Kirche der Schweiz. Deren Präsidentin Rita Famos will nun im Zentralausschuss klären: "War die ÖRK-Delegation genügend vorbereitet auf den Besuch? War sie sich des Missbrauchspotenzials durch das Patriarchat bewusst und hat sich entsprechend verhalten?"

Kaum Kritik aus der russisch-orthodoxen Kirche

In der russisch-orthodoxen Kirche kritisieren allerdings nur wenige Bischöfe öffentlich Kyrills Rechtfertigung des Krieges gegen die Ukraine. Der Pariser Metropolit Jean rügte die Aussage des Patriarchen, dass das "Opfer" eines Soldaten, der im Krieg sterbe, "alle Sünden abwäscht, die er begangen hat". Sie sei in den Gemeinden seines Erzbistums "mit großem Schmerz und mit Unverständnis aufgenommen" worden, schrieb er. Das Kirchenoberhaupt solle sich für einen sofortigen Stopp des "brudermörderischen Krieges" aussprechen, "der für die Welt jetzt zu einer allzu schweren Bedrohung wird".

Das Moskauer Patriarchat weist Kritik an Kyrill I. zurück. Manche Menschen würden nur Bruchstücke statt ganze Passagen aus seinen Predigten zitieren und zudem den Kontext nicht erläutern. Wer Kyrills Predigten hört oder liest, merkt jedoch, dass er fest an der Seite des Kreml-Chefs und Kriegsverbrechers Wladimir Putin steht.

Oberhaupt der Weltorthodoxie appellierte an Moskauer Amtskollegen

Bartholomaios I., griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel und Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie (KNA)
Bartholomaios I., griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel und Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie / ( KNA )

Hart mit dem russischen Kirchenoberhaupt geht der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., ins Gericht. Es schmerze, dass sich das Moskauer Patriarchat den "politischen Ambitionen der Russischen Föderation" unterwerfe und "diese grausame Invasion und das ungerechtfertigte Blutvergießen sogar gutheißt und scheinbar segnet", sagte er jüngst dem US-Portal "The Pillar". "Wir haben inbrünstig und brüderlich an den Patriarchen von Moskau appelliert, sich von den politischen Verbrechen zu distanzieren, selbst wenn das bedeutet, dass er von seinem Thron zurücktreten muss", so das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sagte am Sonntag auch an die Adresse von Kyrill I., religiöse Führer müssten angesichts des "Wahnsinns dieser Ereignisse" Widerstand leisten. Allerdings machte er Putin für das Verhalten der Kirche verantwortlich. Die orthodoxe Religion werde von den Machthabern in Russland manipuliert, so Macron. Dem Ständigen Vertreter der Ukraine bei den Vereinten Nationen, Serhij Kyslyzja, war das jedoch viel zu mild. Die russisch-orthodoxe Kirche werde nicht manipuliert, kommentierte er auf Twitter Macrons Worte. Die Kirche sei vielmehr "Teil eines kriminellen Regimes".

Rundumschlag gegen den Westen

Kyrill selbst holte am Dienstag erneut zu einem verbalen Rundumschlag gegen den Westen aus. Die Zukunft der menschlichen Zivilisation sei gefährdet; schuld daran seien der Westen mit seiner Ideologie des Säkularismus sowie die Globalisierung, sagte er zur Eröffnung der 24.

Sitzung des Weltrussischen Volksrates. Es gehe um einen epochalen Kampf zwischen Gut und Böse. Solange Russland eine "Insel der Freiheit" bleibe, werde es auch für den Rest der Welt die Chance geben, "den Lauf der Geschichte zu ändern und das globale apokalyptische Ende zu verhindern".

Orthodoxe Kirche

Als orthodoxe Kirche wird die aus dem byzantinischen (Oströmischen) Reich hervorgegangene Kirchenfamilie bezeichnet. Sie besteht je nach Standpunkt aus 14 beziehungsweise 15 selbstständigen ("autokephalen") Landeskirchen. "Orthodox" ist griechisch und bedeutet "rechtgläubig". Trotz großer nationaler Unterschiede und innerer Konflikte versteht sich die Orthodoxie in Bekenntnis und Liturgie als eine einzige Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. (84).

Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus (shutterstock)
Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus ( shutterstock )
Quelle:
KNA