Patriarch Rai sieht Republik Libanon in Gefahr

Kritik wegen Untätigkeit

Kardinal Bechara Rai warnt vor "unsinnigen taktischen Manövern" im Vorfeld der Präsidentenwahl und der Kabinettsbildung. Er beklagt, dass das Parlament noch nicht zur Wahlsitzung für einen neuen Präsidenten einberufen sei.

Demonstranten mit libanesischer Fahne (Archiv) / © Hussein Kassir (shutterstock)
Demonstranten mit libanesischer Fahne (Archiv) / © Hussein Kassir ( shutterstock )

"Wir brauchen weder eine zurücktretende Regierung noch eine Umbildung der bestehenden Regierung noch eine Vakanz des Präsidenten: all das wäre ein politisches, nationales und existenzielles Verbrechen", sagte das Oberhaupt der katholischen Maroniten bei seiner Sonntagspredigt im nordlibanesischen Dimane.

Kardinal Bechara Boutros Rai / © Cristian Gennari (KNA)
Kardinal Bechara Boutros Rai / © Cristian Gennari ( KNA )

Der Patriarch der größten christlichen Gemeinschaft im Libanon beklagte, dass das Parlament noch nicht zur Wahlsitzung für einen neuen Präsidenten einberufen sei. 

Die Amtszeit von Michel Aoun läuft am 31. Oktober aus.

Immer noch Übergangsregierung

Zugleich kritisierte Rai die Untätigkeit bei der Bildung einer neuen Regierung auf Grundlage der Wahlen von Mitte Mai. Derzeit führt der bisherige Ministerpräsident Nadschib Mikati eine Übergangsregierung, die nur laufende Amtsgeschäfte erledigen darf. 

Auf eine Aufstockung der Ministerien von 24 auf 30, wie Aoun sie angeregt hatte - je drei Christen und drei Muslime - wollte sich Mikati nicht einlassen. Es sei "unnormal", die Wahl eines Präsidenten zu verhindern, um dessen Befugnisse an eine Regierung zu übertragen, sagte der Patriarch in seiner Predigt. Das gelte erst recht in einer Situation, wo die Regierung nur geschäftsführend amtiere. 

"Ist die Präsidentenwahl nicht mehr notwendig?, fragte das 82-jährige Kirchenoberhaupt, das in der libanesischen Politik eine gewichtige Stimme hat.

Weitere politische Leerstelle

Denn: "Wenn kein neuer Präsident gewählt wird, wird in der Tat eine politische Leerstelle auf der Exekutivebene befürchtet, die dann zur Vakanz in der Regierung hinzukäme".

 Jeder Versuch, die Präsidentenwahl zu verzögern, ziele somit darauf ab, "einerseits die Republik zu stürzen und andererseits die Rolle der Christen zu schmälern, insbesondere die der Maroniten". Nach dem festgelegten Religionsproporz muss der Staatspräsident maronitischer Christ sein, der Ministerpräsident Sunnit und der Parlamentspräsident Schiit.

Wirtschaftliche Lage im Land ist schlecht 

Der Libanon leidet unter einer enormen Wirtschaftskrise. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Medizin, Energie und Wasser ist vielerorts mangelhaft. Um die Förderung von Erdgas und Erdöl vor der libanesischen Küste, die viele Mängel beheben und zudem Exporteinnahmen bringen könnte, gibt es bislang keine Einigung. 

Die USA versuchten in den vergangenen Monaten, bei der Festlegung der Seegrenzen vor der israelisch-libanesischen Küste zu vermitteln. Dies könnte Bohrvorhaben auf beiden Seiten der Grenze ermöglichen.

Der Libanon

Der Libanon ist geprägt durch das Nebeneinander zahlreicher Religionen. Mit etwa 30 Prozent hat die parlamentarische Demokratie den größten Anteil Christen in der Arabischen Welt. Die Muslime - Sunniten und Schiiten - machen inzwischen wohl mehr als 60 Prozent aus. Offiziell anerkannt sind 18 Religionsgemeinschaften, darunter die Minderheiten der Drusen und Alaviten.

Symbolbild: Flagge des Libanon / © Yulia Grigoryeva (shutterstock)
Symbolbild: Flagge des Libanon / © Yulia Grigoryeva ( shutterstock )
Quelle:
KNA
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