Ingo Brüggenjüren (DOMRADIO.DE-Chefredakteur): Sie sind der dienstälteste Abt in ganz Bayern. Erinnern Sie sich noch, wie es damals war, als Sie ein junger Mensch waren? Was war der Auslöser dafür, dass Sie sich für ein Klosterleben bei den Benediktinern entschieden haben?
Thomas Maria Freihart (Benediktinermönch, Abt von Kloster Weltenburg): Ich bin in der Nähe des Klosters Plankstetten zu Hause und kenne es schon von Kindheit an. Während meiner Schulzeit habe ich dann Benediktiner kennengelernt. Mein Heimatpfarrer war auch ein Benediktiner und so führte mein Weg zu den Benediktinern.
Brüggenjüren: Was hat Sie fasziniert? Was war das Besondere, was Sie angezogen hat?
Abt Thomas: Es war das Gemeinschaftsleben, das gemeinsame Beten, das gemeinsame Essen, das Zusammenleben. Die klösterliche Gemeinschaft als Ganzes.
Brüggenjüren: Als Abt sind Sie schon seit 1998 der Vorsteher der klösterlichen Gemeinschaft. Was hat sich für die Gemeinschaft in all den Jahren, die Sie überblicken können, verändert?
Abt Thomas: Als ich meinen Dienst begonnen habe, war unsere Gemeinschaft noch größer. Es sind leider in dieser Zeit einige Mitbrüder gestorben. Vier Mitbrüder sind auch in einem Alter gestorben, wo man noch nicht ans Sterben denkt. Das waren natürlich schon schwere Tage, aber wir hatten auch schöne Tage, wo junge Menschen eingetreten sind, wo ich die Profess entgegennehmen durfte oder wo Priesterweihe war.
Brüggenjüren: Das Kloster Weltenburg ist auf vielen Postkarten, in Prospekten oder im Internet immer wieder zu finden, weil es schlechthin das Kloster in Bayern ist. Es ist eines der ältesten, der berühmtesten Klöster hier. Was gibt es für besondere Ansprüche an einen Abt, wenn man in einem solchen Feld tätig ist?
Abt Thomas: Weltenburg ist ein touristischer Anziehungspunkt. Wir haben von Ostern bis Allerheiligen im November etwa eine halbe Million Besucher. Aber unsere erste Aufgabe ist natürlich unser geistliches Leben hier, unser Dienst der Gastfreundschaft. Wir haben hier ein Gästehaus mit fast 100 Betten.
Wir haben ein eigenes Programm der katholischen Erwachsenenbildung. Zu uns kommen kirchliche Gruppen wie Kolping, Pfarrgemeinderäte, Malteser, aber auch ganz andere Gruppen wie Behörden von der Uni Regensburg oder von der Uni München, aber auch einfach Leute, die sich zurückziehen wollen, für sich allein sein möchten.
Dann sind wir hier am Donauradweg. Da kommen viele Radfahrer, die schnell noch ein Quartier suchen.
Brüggenjüren: Wenn so viele Touristen da sind, so viele Fahrradpilger, ist das eine Chance für die Pastoral, für die Verkündigung der frohen Botschaft?
Abt Thomas: Es ist immer wieder auch eine Möglichkeit, gerade auch durch die Führungen die Menschen anzusprechen. Wir haben ja eine berühmte Kirche von den Gebrüdern Asam ausgestaltet. Die kann man eigentlich nicht verstehen, wenn man nicht auch das theologische Programm dieser Kunst erläutert. So ist es schon eine pastorale Chance.
Brüggenjüren: Die Kirche befindet sich in einer schweren Krise. Kriegt man das in Weltenburg mit oder ist das ein Ort der Seligen?
Abt Thomas: Wir leben in dieser Welt und die Menschen, die zu uns kommen, bringen auch ihre Probleme, ihre Sorgen mit. Also, wir leben nicht auf der Insel der Seligen.
Aber Weltenburg ist trotzdem ein Stück weit auch ein sicherer Hafen, wo Menschen auch einfach aufgrund der langen Geschichte Ruhe und Sicherheit suchen. So eine lange Geschichte ist auch ein Zeichen der Treue Gottes, wenn Gott einen Ort im Auf und Ab der Geschichte so lange hält. Der Ort hat ja nicht nur Zeiten der Blüte erlebt, sondern Zerstörungen, Kriege, Aufhebung der Säkularisation des Klosters und ist dann nach 40 Jahren dann wiedererstanden.
Brüggenjüren: Der große Theologe Johann Baptist Metz hat schon vor Jahrzehnten gesagt, dass die Zukunft bei der Weitergabe des Glaubens eigentlich besonders bei Ordensgemeinschaften und Mystikern gesehen wird. Wo sehen Sie die Chance, dass Orden in der heutigen Zeit dieses Signal setzen können?
Abt Thomas: Man findet bei uns im Kloster Menschen vor, die vor Ort sind, wo man sich durch das Gebet oder auch wenn Menschen Gespräche suchen, Rat suchen andocken kann. Da sehe ich schon eine wichtige Chance für uns Orden. Gerade in der weiten Pastoral sind die Seelsorger oft weit weg von den Menschen. Dadurch, dass die Räume immer größer und größer werden, verliert sich das auch oft in der Anonymität. Und so denke ich, ist das schon eine Chance.
Brüggenjüren: Wie wichtig ist in dieser Zeit gerade dieser "stabilitas loci", dieser Ort der Beständigkeit?
Abt Thomas: Es ist ein Ort großer Verlässlichkeit. "Stabilitas" ist ja nicht nur etwas Statisches, sondern es besagt, dass wir Wurzeln haben. Und Wurzeln sind eben etwas Beständiges, etwas Verlässliches. Gerade das suchen auch die Menschen in dieser schnelllebigen Zeit, in dieser Zeit, wo sich alles so schnell verändert.
Brüggenjüren: Was wäre Ihr Wunsch, wenn Sie für dieses Kloster Weltenburg nach vorne schauen?
Abt Thomas: Dass es eine gute Zukunft hat, dass junge Menschen zu uns finden. Wir haben heuer die Freude, dass im März ein junger Student eingetreten ist und im Oktober ein weiterer kommen wird. Das sind also immer sehr schöne Zeichen der Hoffnung. Auch in unserer heutigen Zeit beruft der Herr Menschen für diesen Weg.