DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die erste Synode, bei der auch Frauen abstimmen durften, erlebt?
Helena Jeppesen-Spuhler (Mitarbeiterin beim Schweizer Hilfswerk Fastenaktion und erste Delegierte einer Bischofssynode): Ja, das war schon ein starker Moment, besonders weil wir gemerkt haben, dass wir Gewicht haben, obwohl wir wenige sind, dass wir ganz viele starke Frauen aus der ganzen Welt sind, die da sind, immerhin 54, und die sich nicht zurückgehalten haben in der Versammlung.
Es war eine gute Erfahrung, und ich denke, das wird jetzt der Standard sein. Wir gehen wohl nicht mehr dahinter zurück.
DOMRADIO.DE: Insofern ist hier wirklich Geschichte geschrieben worden. Im Dokument ist das ja noch sehr zurückhaltend formuliert, wie war es in der Synodenaula selber? Waren das nur die Frauen oder war es eine breite Zustimmung zu diesen Fragen?
Jeppesen-Spuhler: Nein, als um die Frage nach der Rolle der Frau ging, war das der stärkste Moment dieser Synodenversammlung.
Da gab es sehr viel Zustimmung, natürlich nicht nur von den Frauen und den Laien, sondern auch von Kardinälen und Bischöfen, die sich für die Gleichberechtigung der Frau ausgesprochen haben.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie insgesamt auf die Synode schauen, sind Sie zufrieden?
Jeppesen-Spuhler: Jein. Ich bin zufrieden, weil wir doch einige Schritte gemacht haben, die wichtig sind. Wir haben aber einen enormen Reformstau in der katholischen Kirche und können nicht alle Fragen miteinander adhoc gut lösen.
So konnten wir auch nicht alle Themen befriedigend diskutieren. Aber es gibt doch einige Schritte, die stark sind und die uns weiterhelfen.
DOMRADIO.DE: Welche Schritte sind stark?
Jeppesen-Spuhler: Den Schritt in Richtung dezentraler Lösungen finde ich stark. Dann die Gewaltenteilung, die mehrere Male genannt wurde, also die Kontrolle der Macht der Bischöfe. Die ist wichtig im Bezug auf den Missbrauch.
Das war uns ein besonders starkes Anliegen und es ist erstaunlich gut in der Versammlung aufgenommen worden – das Anliegen, dass es strukturelle Veränderungen geben muss zur Kontrolle der Macht.
DOMRADIO.DE: Wo hätten Sie sich gerne noch mehr gewünscht?
Jeppesen-Spuhler: Ich hätte mir klar mehr gewünscht oder etwas viel Stärkeres gewünscht zur Frage der queeren Menschen. Da gab es einen Widerstand gegen das Wort "LGBTQ+" und das steht jetzt nur ganz schwach im Dokument.
Aber ich denke, wir kommen da in der Weltkirche nicht zu einer gemeinsamen Lösung, sondern da müssen wir dezentral Lösungen finden.
DOMRADIO.DE: Ist das auch ein Signal, das von dieser Synode ausgeht, dass mehr Verantwortung, mehr Entscheidungen auf die Ebene der Weltkirche, in die Diözesen gelegt wird?
Jeppesen-Spuhler: Ganz klar, das ist für mich das wichtigste Signal dieser Synode. Der Ball geht zurück an die lokalen Kirchen, und da muss gearbeitet werden für partizipative Strukturen und eine stärkere Stellung der Frau.
Da kann schon im bestehenden Kirchenrecht viel gemacht werden und das muss man voll ausnutzen. Nächstes Jahr kommen wir dann hoffentlich zum Entscheiden.
DOMRADIO.DE: Da sprechen Sie es schon an, im nächsten Jahr muss entschieden werden. Was gibt es jetzt bis dahin zu tun aus Ihrer Sicht?
Jeppesen-Spuhler: Da gibt es einiges an Arbeit, die im Vatikan erledigt werden muss. Wir müssen aber auch das Dokument zurückbringen in unsere Kirchen, es dort diskutieren und gute Beispiele und Rückmeldungen an das Synodenbüro in Rom zurückgeben, damit dieses ein gutes neues Arbeitsdokument für die nächste Synodenversammlung erstellen kann.
DOMRADIO.DE: Macht das die Schweiz alleine?
Jeppesen-Spuhler: Nein, das müssen alle lokalen Kirchen machen. Die sollen sich unbedingt stark einbringen. Das ist ganz wichtig, weil hier nicht Rom den Lead haben soll, sondern die lokalen Kirchen diesen Prozess prägen sollen.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie jemand, der international schon sehr vernetzt ist. Werden Sie diese Netzwerke auch nutzen?
Jeppesen-Spuhler: Ich denke, das ist jetzt ein guter Ausgangspunkt nach dieser Synode, dass wir vernetzt sind. Wir werden diese Netzwerke in diesem Jahr pflegen.
DOMRADIO.DE: Wir haben es hier erlebt: Die Frauen haben etwas verändert, die Praxis verändert etwas, das Tun verändert etwas. Sehen Sie das als starkes Argument auch für die Zukunft der Kirche?
Jeppesen-Spuhler: Unbedingt. Die Praxis verändert etwas. Wir sollen nicht immer auf den Vatikan und auf das Ja von Rom warten, sondern bei uns vor Ort mutig vorangehen.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.