DOMRADIO.DE: Anlass für den Besuch von Papst Franziskus war das 600-jährige Bestehen der Katholischen Universität Löwen sowie ihrer Schwesteruniversität in Louvain-la-Neuve. Zunächst waren Sie beim Treffen mit Universitätsprofessoren der Katholischen Universität am Freitag dabei. Wie haben Sie das erlebt?
Prof. em. Reimund Bieringer (Priester und emeritierter Professor für das Neue Testament an der Katholischen Universität Löwen): Das war eine sehr würdige Feier. Vielleicht ein bisschen steif, aber theologisch und auch menschlich sehr tief. Ich denke, dass unser Rektor eine sehr gute Rede gehalten hat. Und auch der Papst hat die Freiheit der Wissenschaft, die Suche nach der Wahrheit stark betont. Das sind alles Dinge, die wir sicher sehr schätzen.
DOMRADIO.DE: Dann hat der Papst am Samstag in der Basilika im Brüsseler Quartier Koekelberg Bischöfe, Priester und andere Belgier im kirchlichen Dienst getroffen. Welche Botschaft hat er ihnen allen mit auf den Weg gegeben?
Bieringer: Da hat der Papst ja auf sechs Fragen, die ihm von Menschen mit ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen und kirchlichen Hintergründen gestellt wurden, geantwortet. Da hat er vor allem die Barmherzigkeit betont.
DOMRADIO.DE: Im Rahmen seines Aufenthalts in Belgien war Franziskus mit mehreren Betroffenen von Missbrauch durch Geistliche zusammengekommen. Belgiens Ministerpräsident Alexander de Croo hat auch das Thema Missbrauch angesprochen. Was hat er gesagt?
Bieringer: Er hat vor allem betont, dass die Kirche endlich das große Problem anerkennen muss, die Schärfe des Problems erkennen muss und sich dem Problem stellen muss. Das hat den Ton für den ganzen Besuch angegeben. Der Papst musste am Anfang sogar von seinem in diesem Punkt etwas schwachen Redemanuskript abweichen.
Ich denke, er hat sich auch im Laufe des Besuchs entwickelt und hat sicher den Betroffenen sehr gut zugehört und hat da auch seine persönliche Betroffenheit gezeigt.
DOMRADIO.DE: Samstagnachmittag hat sich Franziskus dann mit Universitätsstudenten in Louvain-la-Neuve getroffen. Beim Thema der Rolle der Frauen in der Kirche sagte Franziskus dann sinngemäß, man solle Frauen nicht vermännlichen. Das ist offenbar nicht so gut angekommen.
Bieringer: Ich habe gelesen, dass der Papst dann auch auf seinem Rückflug seine Enttäuschung darüber ausgedrückt hat. Vor allem, weil sich die Universität in Louvain-la-Neuve, also die französischsprachige Universität, in einem Statement davon distanziert hat.
DOMRADIO.DE: Inwiefern? Wie war das alles zustande gekommen?
Bieringer: Es war ja so, dass die Studentinnen und Studenten dem Papst Fragen stellen konnten. Das war ziemlich locker im Vergleich zu dem, was in Löwen bei der Begegnung mit dem Papst passiert ist.
Da wurde auch die Frage nach der Rolle der Frau gestellt. Der Papst hat die mystische Rolle der Frau betont und dass die Frau wichtiger sei als der Mann, aber dass man die Frau eben nicht zum Mann machen soll. Ich denke, dass der Papst damit sagen wollte, dass die Frau kein Priester sein kann.
DOMRADIO.DE: Der Abschlussgottesdienst fand am Sonntag im Stadion in Brüssel statt. Wie hat der Papst insgesamt auf Sie gewirkt?
Bieringer: Sehr persönlich und sehr konzentriert. In der Predigt hat er auch sehr starke Worte in der Verurteilung des Missbrauchs gefunden. Obwohl man da auch wieder die Frage stellen kann, ob nicht strukturell das Problem noch mehr reflektiert werden müsste.
Das Interview führte Tobias Fricke.