Verurteilter Bürgerrechtler aus Vietnam in Deutschland eingetroffen

Rettendes Exil

Aus dem Gefängnis in Vietnam ins deutsche Exil: Der Anwalt und Bürgerrechtler Nguyen Van Dai war zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte auch Christen und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften verteidigt.

Rechtsanwalt Nguyen Van Dai / © Lam Khanh (dpa)
Rechtsanwalt Nguyen Van Dai / © Lam Khanh ( dpa )

Vietnam hat den prominenten Bürgerrechtler Nguyen Van Dai aus der Haft entlassen und nach Deutschland ins Exil ausfliegen lassen. Das Auswärtige Amt bestätigte am Freitag in Berlin, dass sich der Dissident inzwischen in Deutschland befindet.

Kirchenvertreter und Menschenrechtler erleichtert

Eine Sprecherin wertete die Freilassung als "bemerkenswerten Schritt von vietnamesischer Seite". Dai war seit Dezember 2015 in Haft. Mit ihm durften seine Ehefrau Vu Minh Khanhm und seine Assistentin Le Thu Ha ausreisen. Eine Rückkehr in die Heimat bleibt ihnen nach Angaben von Aktivisten verwehrt.

Auch Kirchenvertreter und Menschenrechtler äußerten sich erleichtert über die Freilassung, warfen Vietnam aber andauernde Unterdrückung vor. Der 49-jährige Anwalt Dai ist einer der wichtigsten Menschenrechtsaktivisten Vietnams. Er gehört zu den Gründern des Netzwerks "Bruderschaft für Demokratie" und des "Komitees für Menschenrechte".

Nach vier Jahren Haft und anschließendem Hausarrest kam Dai im Dezember 2015 wieder ins Gefängnis. Ihm wurden "staatsfeindliche Propaganda" und Umsturzpläne vorgeworfen. Im April 2018 wurde er zu 15 Jahren Haft und anschließend fünf Jahren Hausarrest verurteilt. Auch seine Assistentin Ha und vier weitere Aktivisten erhielten lange Haftstrafen.

"Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit eingeschränkt"

Das katholische Missionswerk missio äußerte sich erleichtert über Dais Freilassung, beklagte aber anhaltende Menschenrechtsverletzungen. "In Vietnam werden vor allem die Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit eingeschränkt", erklärte missio-Präsident Klaus Krämer.

Missio-Sprecher Johannes Seibel sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), Dai habe als Anwalt auch Christen und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften verteidigt. 750 Menschen hatten sich in einer missio-Petition an den vietnamesischen Ministerpräsidenten Nguyen Xuan Phuc für ihn eingesetzt.

"Human Rights Watch" lobte, dass Deutschland Dai, seiner Frau und seiner Assistentin Asyl gewähre. Vietnam gehe auf abscheuliche und skrupellose Weise gegen Bürger vor, die es wagten, echte Reformen zu fordern, sagte der stellvertretende Asien-Direktor der Organisation, Phil Robertson, dem epd.

Geste des guten Willens

Im Visier der vietnamesischen Führung sind vor allem Blogger, Anwälte, Künstler und Umweltschützer. Laut "Human Rights Watch" wurden allein im vergangenen Jahr mindestens 24 Dissidenten zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Auf de aktuellen Rangliste zur Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" liegt Vietnam auf Platz 175 von 180 Ländern.

Die Freilassung Dais könnte als eine Geste des guten Willens Vietnams gewertet werden, besonders gegenüber Deutschland. "Das ist eine gute Nachricht", sagte die Berliner Anwältin Petra Schlagenhauf dem epd.

Die Freilassung Dais zeige, dass Vietnam zugänglicher werde und auch Entscheidungen korrigiere. Schlagenhauf vertritt den aus Berlin verschleppten und in Hanoi inhaftierten Vietnamesen Xuan Thanh Trinh. Der Fall hatte international für Empörung gesorgt. Der ehemalige Manager wurde in Hanoi zu zwei Mal lebenslänglich wegen Korruption verurteilt.

Das Auswärtige Amt sprach von "Menschenraub" und "Rechtsbruch". In den Beziehungen zwischen beiden Ländern begann eine Eiszeit. In Berlin steht derzeit ein mutmaßlicher Entführungshelfer vor Gericht. Dabei könnte deutlich werden, wie Geheimdienstmitarbeiter an der Entführung mitgewirkt hätten, sagte Schlagenhauf, die für die Nebenklage dabei ist. Thanh selbst gehe es in der Haft den Umständen entsprechend gut.

Einmal im Monat dürfe er Besuch von seiner Familie empfangen. Allerdings sei dies auch zeitweise ausgesetzt worden. Seinen Antrag auf Berufung habe er nach massivem Druck zurückgezogen, auch weil er kein rechtsstaatliches Verfahren erwartet habe. "Wir hoffen auf eine andere Lösung", sagte Schlagenhauf.


Quelle:
epd