Eine kleine Gasse mitten in der Kölner Innenstadt, wenige Meter entfernt vom Dom und der Minoritenkirche: Klaus Terlau deutet auf ein mehrstöckiges Bürogebäude und Geschäfte: "Dort stand früher die Kolumba-Schule", erzählt er. In der "Kolumbastube" gründete der katholische Priester Adolph Kolping vor 175 Jahren, am 6. Mai 1849, gemeinsam mit sieben Gesellen den ersten Kölner Gesellenverein. Heute erinnert daran nur noch eine Tafel an der Häuserfassade.
Terlau ist Kolpingmitglied und bietet Führungen durch die Kölner Innenstadt an, zu den wichtigsten Orten, an denen Adolph Kolping tätig war. Auch, weil der Gesellenvater ihm bis heute ein Vorbild ist: "Er hatte viele Eigenschaften, die nahezu beispielhaft sind, um diese Welt ein bisschen besser zu machen", sagt er: "Zum Beispiel seine Hartnäckigkeit, seine Frömmigkeit, seine Ausdauer und auch sein Fleiß."
Christliche Antworten auf soziale Fragen
Adolph Kolping wurde am 8. Dezember 1813 in Kerpen bei Köln geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf und begann im Alter von 13 Jahren eine Schuhmacherlehre. Doch der junge Handwerker war ehrgeizig, holte in Köln das Abitur nach, studierte Theologie und wurde schließlich 1845 in der Kölner Minoritenkirche zum Priester geweiht.
Als Kaplan in Elberfeld – heute ein Vorort von Wuppertal – machte er Erfahrungen mit der Verelendung der Arbeiter und den wirtschaftlichen und sozialen Nöten in der beginnenden Industrialisierung.
Von dem Wuppertaler Johann Gregor Breuer lernte er Gesellenvereine kennen: Als Kolping 1849 in Köln Domvikar wurde, importierte er die Idee, denn wollte er jungen Handwerkern auf Wanderschaft soziale Unterstützung und ein Zuhause bieten: Darum gründete er den ersten Kölner Gesellenverein, erwarb später ein Haus und richtete dort ein Wohnheim ein. Zusätzlich gab es Gemeinschafts- und Weiterbildungsangebote, denn ganzheitliche Bildung und Gemeinschaft waren für ihn der Schlüssel, mit dem befähigt werden, sich mit eigener Kraft aus der Armut zu befreien.
Vom Verein zur Familie
Heute ist das Kolpingwerk ein katholischer Sozialverband mit rund 400.000 Mitgliedern in über 60 Ländern, die in mehr als 9.000 so genannten "Kolpingsfamilien" weltweit organisiert sind. Die Umbenennung der Gesellenvereine in "Familien" war in der Nazizeit nötig geworden, um der Gleichschaltung und einem Vereinsverbot zu entgehen.
Immer noch stehen Aus- und Weiterbildung im Fokus des Kolpingwerkes, sowohl in Deutschland als auch weltweit: "Heute leiden die Gesellen nicht mehr die Not, die es damals gab", sagt der Generalpräses von Kolping International, Msgr. Christoph Huber. "Aber Adolph Kolping hat uns zur Grundlage gemacht: Die Nöte der Zeit sollen euch lehren, was zu tun ist, das heißt: Wir setzen uns zusammen und überlegen: Wo ist Not und wie können wir helfen? Das hat immer zur Veränderung geführt."
Wegbereiter der katholischen Soziallehre
Heute bietet Kolping in Deutschland zum Beispiel Ausbildungsmöglichkeiten für benachteiligte Jugendliche oder günstigen Wohnraum für Azubis. In Afrika lernen Kleinbauern, wie sie ihre Ernte verbessern und sich an den Klimawandel anpassen können. In Lateinamerika werden Menschen in Berufsbildungszentren zu Köchen, Näherinnen oder Friseuren ausgebildet und erhalten so die Grundlage für ein eigenes kleines Gewerbe. Mikrokredite geben Starthilfen und ganzheitliche Bildungsangebote befähigen sie zu zivilgesellschaftlichem Engagement.
Am 27. Oktober 1991 wurde der Sozialreformer aus Kerpen von Johannes Paul II. in Rom seliggesprochen. Er gilt mit seinen Ideen als ein Wegbereiter der katholischen Soziallehre. 30 Jahre nach der Seligsprechung wünschen sich die Kolpingmitglieder rund um den Globus jetzt nichts sehnlicher als eine Heiligsprechung ihres Gesellenvaters.
Warten auf das Wunder
Was noch fehlt, ist ein Wunder. Denn für Heiligsprechungen ist der Nachweis eines – meist medizinischen – Wunders erforderlich. Dabei handelt es sich um die Heilung von Krankheiten, die aus medizinischer Sicht unerklärlich sind und auf Gebete und die Fürsprache der heilig zu sprechenden Person bei Gott zurückgeführt werden. "Aber aktuell haben wir da nichts auf dem Tisch liegen", bedauert Huber.
Im Kolpingwerk betet man für ein solches Wunder und es gibt auch einen internationalen Aufruf, sich bei Vorkommnissen zu melden, die man dem Dikasterium für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse zur Prüfung vorlegen kann. Eine Heiligsprechung wäre ein starkes Zeichen, findet Huber. Und eine Ermutigung für alle, die sich bis heute in Kolpings Namen für eine sozial gerechtere Welt einsetzen.