DOMRADIO.DE: Es geht für den Papst bei der Synode um einen geistlichen Prozess. Und Sie sagen, die Kirche muss bei der Synode neu lernen zu hören, vor allem ihre Amtsträger. Wie soll das auf einer Synode mit vielen Teilnehmenden gelingen?
Andreas Batlogg SJ (Jesuit und Publizist): Ich denke, dazu muss eine synodale Kultur eingeübt werden. Das geht nicht von heute auf morgen, weil wir gewohnt waren in der Vergangenheit, dass alles top-down entschieden wird.
Der Papst entscheidet, der Bischof entscheidet, der Pfarrer entscheidet. Und es geht darum, eine neue Kultur für Beratungen und Entscheidungsfindungen zu suchen, zu finden und dann auch zu etablieren. Das braucht Zeit.
DOMRADIO.DE: Das ist das erste Arbeitstreffen, in einem Jahr wird es ein weiteres geben. Der Oktober wird dafür verwendet, miteinander ins Gespräch zu kommen. Der Papst spricht von einem geistlichen Prozess. Aber es gibt auf der anderen Seite die Erwartungshaltung, dass sich etwas konkret ändert. Wie bekommt man das übereinander?
Batlogg: Es muss sich finden. Es stimmt, dass eine Synode ein Beirat und kein Entscheidungsgremium ist. Aber ich möchte trotz allem nicht in den Chor der Pessimisten einstimmen, die meinen, das sei alles eine pseudodemokratische Illusion, ein Debattierklub ohne rechtliche Vollmachten.
Zunächst mal geht es um einen geistlichen Prozess, also um Zuhören, was der Wille Gottes für uns sein könnte. Dieser mehrjährige Prozess hat 2021 begonnen.
Die Beratungen auf Pfarrebene, dann auf diözesaner, nationaler und dann kontinentaler Ebene haben gezeigt, dass sehr viele Themen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit verhandelt werden – in unterschiedlichen Akzentuierungen und Annäherungen. Das muss man jetzt alles unter einen Hut bekommen.
Aber ich räume auch ein: Die österreichische nationale Synthese beginnt mit dem Satz: "Eine Kirche, die Synoden abhält, ist noch keine synodale Kirche." Aber wir sind dahin unterwegs, und das spüren manche und deshalb gibt es auch Widerstand.
DOMRADIO.DE: Die Zusammensetzung ist einmalig, nämlich Laien und damit auch Frauen sind stimmberechtigt mit dabei. Das wird diesen geistlichen Prozess sicher verändern im Vergleich zu früheren Synoden, oder?
Batlogg: Richtig. Also ich vermeide ja schon den Ausdruck Bischofssynode und sage Weltsynode, weil auch Nicht-Bischöfe, Männer und Frauen dabei sind. Natürlich sind 73 % der Stimmberechtigten Bischöfe und trotzdem ist es ein Paradigmenwechsel. Darauf macht die Dogmatik-Professorin Julia Knop aus Erfurt aufmerksam.
Das ist nicht nur eine Alibi-Sache. Es gibt 363 stimmberechtigte Teilnehmerinnen und Teilnehmer, im Hintergrund noch viele Expertinnen und Experten, die schauen: Wie läuft die Argumentation? Gibt es eine versteckte Agenda? Welche Konflikte werden umgangen, welche werden offen ausgesprochen?
Das ist ein spannendes Experiment mit offenem Ausgang. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Papst noch einmal wie auf der Amazonassynode ein starkes Votum stimmberechtigter Teilnehmer übergehen kann. Aber es wird im Oktober 2024 nochmal eine Synode geben, um zu schauen, was sich verändert hat und was weitergegangen ist.
DOMRADIO.DE: Wie kann man am Ende den Erfolg der Synode bemessen?
Batlogg: Es wäre ja schon viel, wenn die Vorurteile und die Missverständnisse und die Narrative sich anders entwickeln. Es gibt viele Verhärtungen in der Kirche, Vorwürfe wie "der böse Westen", das hat sich in Prag gezeigt, auch der Vorwurf des postkolonialen Eurozentrismus. Wenn fünf Kontinente zusammenkommen, wird sich zeigen müssen: Wie reden wir miteinander, wenn wir gemeinsam Kirche sein wollen.
Deshalb hat der Papst die Methode des geistlichen Gesprächs vorgeschlagen.
Es wird 3 bis 4 Minuten geredet, dann gibt es 3 bis 4 Minuten Stille und Gebet. Das wird eine andere Gesprächs- und auch Beratungsatmosphäre ergeben.
Aber das Ergebnis können wir nicht voraus nehmen. Wenn wir am 4. Oktober wüssten, was am 29. rauskommen soll, dann wäre alles gefaked. Es wird sich die Frage stellen: Haben wir den Willen, anders Kirche zu sein? Keine andere Kirche, sondern Kirche anders leben. Papst Franziskus und den Bischöfen ist es sehr bewusst, dass das auch Machtverzicht bedeutet. Die einen sind dazu bereit, die anderen nicht.
Das Interview führte Mathias Peter.