Die Anglikanische Weltkirche steht offenbar vor der Spaltung

Einige Hochzeiten und ein Scheidungsfall

Die anglikanische Weltkirche steht offenbar unmittelbar vor der Spaltung. Schon oft in den vergangenen Jahren stand das Menetekel einer Kirchenspaltung an der Wand. Schon oft ist es Rowan Williams, dem liberalen Ehrenprimas der rund 78 Millionen Anglikaner weltweit, gelungen, das allzu straff gespannte Band der Einheit durch immer kunstvollere Kompromissformeln doch noch vor dem Zerreißen zu bewahren.

 (DR)

Doch nun, kurz vor der Lambeth-Konferenz im Juli, dem obersten Beschlussgremium der anglikanischen Weltgemeinschaft, scheint der Erzbischof von Canterbury mit seinem Latein am Ende. Das konservative Kirchenlager um Williams' Antipoden und Primas von Nigeria, Erzbischof Peter Akinola, ging am Donnerstag mit der Erklärung an die Öffentlichkeit, dass es «keine Hoffnung mehr» für die Wahrung der Gemeinschaft mit den Liberalen sehe. Ein rund 100-seitiges Dokument hält fest: «Wir stehen jetzt vor einem Moment der Entscheidung.»

Die Wut der Traditionalisten über fehlende Kirchendisziplin in Europa und Amerika ist seit langem angestaut - und entlädt sich zwar immer wieder auch in wortgewaltigen Statements. Aber diesmal ist die Lage brenzlig. Denn in den kommenden Wochen stehen zwei wichtige internationale Konferenzen an: Ab Sonntag wollen die Konservativen beim (Gegen-)Gipfel zur Zukunft der anglikanischen Weltkirche (GAFCON) in Jerusalem ihren Kurs bei der Lambeth-Konferenz abstecken. Die tagt nur alle zehn Jahre - und wo, wenn nicht dort, soll die Entscheidung über Wohl und Wehe, Einheit oder Spaltung der anglikanischen Weltgemeinschaft fallen? Alle Kompromisse jedenfalls, alle Drohungen und Provisorien in Wort und Tat waren immer auf Lambeth 2008 ausgerichtet.

Spaltpilz Bischofsernennung
Als Spaltpilz machen die Analysten in der Rückschau die Bischofsernennung des bekennend homosexuellen Gene Robinson 2003 aus, der übrigens - uneingeladen - trotzdem bei der Lambeth-Konferenz auftauchen will. Zuletzt machte am Wochenende das öffentliche Ja-Wort zweier homosexueller anglikanischer Geistlicher in einer Kirche der Londoner City Schlagzeilen. Freilich gab es neben dem Thema Weihe und Segensriten für Homosexuelle schon früher auch andere Bau- und Bruchstellen zwischen Toleranz und Tradition: die Priesterinnen- oder Bischöfinnenweihe etwa, die in vielen bzw. einigen Nationalkirchen praktiziert wird.

Die Lambeth-Konferenz wird mutmaßlich die Klärung vieler offener Fragen erleben - auch von teils abstrusen Behelfskonstruktionen. Dazu gehören etwa kirchliche Parallelstrukturen wie US-Gemeinden, die sich afrikanischen Erzdiözesen angeschlossen haben, weil sie nicht von einheimischen Bischöfinnen, liberalen Bischöfen oder Pfarrern geleitet werden wollen. Betreut werden sie von sogenannten Fliegenden Bischöfen, die buchstäblich irgendwo aus Amerika zur Seelsorge oder Sakramentenspendung einfliegen.

Noch nicht endgültig
Endgültig ausgemacht ist die Spaltung nach Meinung von Beobachtern freilich nicht: Nicht ohne Häme kommentiert am Freitag die Tageszeitung «Daily Telegraph», die GAFCON-Konferenz im Heiligen Land erweise sich bislang als ein ziemliches Fiasko. Wortführer Akinola habe kein Visum für Jordanien erhalten, und wichtige Vertreter des konservativen Lagers aus Asien hätten es vorgezogen, dem Gegengipfel fernzubleiben. So stehe das traditionalistische Bündnis des «Global South», das beansprucht, fast die Hälfte aller Anglikaner weltweit zu repräsentieren, keineswegs so monolithisch da, wie es erscheinen wolle.

Das freilich gilt auch für die Lambeth-Konferenz selbst. Allzu viele Bischöfe werden das wichtigste übergeordnete Organ der anglikanischen Kirche boykottieren - aus Protest über sexuelle und geschlechtsspezifische Fragen. Dabei sollte es dort eigentlich darum gehen, dem Christentum als Lebensprinzip in der säkularen Gesellschaft neuen Rückenwind zu verschaffen. Das ist zwar eigentlich beiden Lagern ein zentrales Anliegen - doch in der Umsetzung stehen sie sich seit Jahren selbst im Weg. So könnte nun am Ende einiger aufregender Hochzeiten ein großer Scheidungsfall stehen.

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