Kardinal Meisner betont Festhalten an Beschlüssen des Konzils

Einheit als wichtigste Aufgabe

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat zu einer Versachlichung der Diskussion um die Aufhebung der Exkommunikation der vier Traditionalisten-Bischöfe aufgerufen. Es sei "durch die unglaublich dummen und völlig indiskutablen Äußerungen von Bischof Williamson zu einer Verquickung gekommen, die viele nachvollziehbar irritiert und empört", sagte Meisner in einem Interview der Kölner Kirchenzeitung und des domradios.

 (DR)

Kirchenzeitung: Herr Kardinal, in der ganzen Welt ist die Aufregung über den Heiligen Vater groß. Ihm wird mangelnde Sensibilität im Zusammenhang mit der Rücknahme der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft Pius X. vorgeworfen. Wie konnte der Eindruck entstehen, der Papst setze sich für einen erklärten Leugner des Holocaust ein?
Joachim Kardinal Meisner: Die entstandene Verwirrung über diesen Vorgang hat Ausmaße angenommen, die ein klares und ruhiges Wort nötig machen, damit der wahre Sachverhalt sichtbar wird. Deshalb kann ich als Kardinal auch nicht schweigend zusehen, wenn eine solche Verwirrung um sich greift. Eine Exkommunikation ist wie auch ihre Aufhebung ein zunächst rein kirchenrechtlicher Akt ohne jede politische Absicht. Er betrifft allein theologische Aspekte. Hier ist es jetzt durch die unglaublich dummen und völlig indiskutablen Äußerungen von Bischof Williamson zu einer Verquickung gekommen, die viele nachvollziehbar irritiert und empört. Gerade deshalb aber muss man sehr genau hinsehen: Die aufgehobene Exkommunikation ermöglicht es den vier Bischöfen, nun wie katholische Laienchristen, nicht aber als Bischöfe am Glaubensleben der Kirche teilzunehmen. Damit haben sie wieder die Möglichkeit, die Sakramente zu empfangen. Dieses Anliegen bewegte das Herz des Papstes. Die weiter bestehende Suspendierung, die nur Kleriker trifft, verbietet ihnen jede Wirksamkeit als Bischöfe in der Kirche. Sie dürfen weder als Zelebranten der Messfeier vorstehen noch dürfen sie die Sakramente spenden. Das Aufsehen um das Williamson-Interview hat leider das eigentliche Anliegen des Papstes, der Einheit der Kirche zu dienen, überlagert.

KiZ: Schadet diese unglückselige Verquickung dem Ansehen von Papst und Kirche?
Meisner: Auch hier muss man genau hinsehen. Wichtigste Aufgabe des Papstes ist, für die Einheit der Kirche zu sorgen, bzw. sie wieder herzustellen, wo sie zerbrochen ist. Diese Aufgabe wurde dem Petrus und damit den Päpsten vom Herrn selbst übergeben, als er zu Petrus sprach: „Weide meine Lämmer" (Joh 21,15). Das hat der Papst jetzt getan, nicht mehr und nicht weniger, wie auch der Vorsitzende unserer Deutschen Bischofskonferenz in seiner Erklärung vom 24. Januar herausgestellt hat. Die Rücknahme einer Exkommunikation ist nicht abhängig von der Sündhaftigkeit der Betroffenen oder ihrer Äußerungen. Der Papst geht dem Auftrag des Herrn entsprechend wie der Hirt dem verlorenen Schaf nach. Der Hirt - lateinisch pastor - denkt in erster Linie pastoral. Um es noch einmal zu sagen: Die Aufhebung der Exkommunikation soll gleichsam als Vorschuss an Barmherzigkeit die vier Exkommunizierten dazu bewegen, wieder in die volle Gemeinschaft der Kirche zurückzukehren.

KiZ: Warum hat der Papst diesen vier Anhängern des exkommunizierten Erzbischofs Lefebvre gerade jetzt die Hand zur Versöhnung ausgestreckt?
Meisner: Der Papst wollte durch einen großen Barmherzigkeitsschritt den vier Bischöfen entgegengehen, weil es auch der Priesterbruderschaft ein dringendes Anliegen war, die bestehende Spaltung zu überwinden. Laut „L' Osservatore Romano" hatten die vier Bischöfe zuletzt mit einem Brief vom vergangenen Dezember um Aufhebung der Exkommunikation gebeten; darin schreiben sie: „Wir haben den Willen und sind fest entschlossen, katholisch zu bleiben und alle unsere Kräfte in den Dienst der Kirche Unseres Herrn Jesus Christus zu stellen, die die römisch-katholische Kirche ist. Wir nehmen ihre Lehren in kindlicher Gesinnung an. Wir glauben fest an den Primat Petri und an seine besondere Stellung. Und darum leiden wir so sehr unter der gegenwärtigen Situation." An diesen Aussagen müssen sie sich jetzt messen lassen. Der Heilige Vater hatte sich schon als damaliger Präfekt der Glaubenskongregation und im Auftrag von Papst Johannes Paul II. darum bemüht, Erzbischof Lefebvre vor dem Bruch mit der Gesamtkirche zu bewahren, wie wir wissen ohne Erfolg. Die Bischofsweihen wurden dann durch Bischof Lefebvre ohne päpstlichen Auftrag erteilt und zogen als Konsequenz die Exkommunikation als Tatstrafe nach sich. Dabei handelt es sich um eine so genannte Beugestrafe, die den Exkommunizierten bewegen und gewinnen möchte, seinen Schritt wieder rückgängig zu machen und in die Gemeinschaft der Kirche heimzukehren. Nicht der Vatikan ist für die entstandene Spaltung verantwortlich, und schon gar nicht ist er verantwortlich für die schamlose Leugnung des Holocaust durch Bischof Williamson.

KiZ: Ein Vorwurf lautet, der Papst gehe mit seinem Entgegenkommen gegenüber der Priesterbruderschaft zugleich hinter das II. Vaticanum zurück.
Meisner: Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage. Der Papst ist, wie der barmherzige Vater der Bibel, dem verlorenen Sohn entgegen gegangen, indem er die Exkommunikation aufhob, nicht aber die Suspendierung. Nun ist es zu allererst Sache der Priesterbruderschaft, ihre Einheit mit der Kirche, die sie nach eigenem Bekunden ersehnt, unter Beweis zu stellen. Im Dekret zur Aufhebung der Exkommunikation heißt es: „Es ist zu hoffen, dass diesem Schritt die baldmögliche Verwirklichung der vollen Gemeinschaft von Seiten der gesamten Bruderschaft St. Pius X. mit der Kirche folgt, um so die echte Treue und wahre Anerkennung des Lehramts und der Autorität des Papstes durch ein Zeichen der sichtbaren Einheit zu bezeugen." Mit der Aufhebung der Exkommunikation wird keine Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils zurückgenommen. Zur Einheit der katholischen Kirche gehört die Anerkennung ihres Lehramtes. Sie schließt die Akzeptanz aller Konzilien einschließlich des Zweiten Vatikanums ein. Dazu gehört auch das Dekret „Nostra aetate" mit seinem positiven Ansatz zum Gespräch mit den Juden. Ebenso muss die Priesterbruderschaft ihre Vorwürfe gegen den Heiligen Vater zurücknehmen, er sei nicht rechtgläubig. Wer lehramtliche Aussagen ganz oder teilweise ablehnt, kann nicht in der vollen Gemeinschaft der Kirche stehen. Die Piusbruderschaft bleibt somit eine schismatische Gruppe und ihre Bischöfe weiterhin suspendiert, bis sie das Zweite Vatikanische Konzil in vollem Umfang anerkennen, einschließlich seiner Dekrete über die Religionsfreiheit und das Verhältnis zu den Juden sowie die heute gültige Form der Liturgie der katholischen Kirche. Dem Papst in seinem Einheitsdienst jetzt theologisch unredliche Motive vorzuwerfen oder dass er die Ergebnisse und Intentionen des II. Vatikanums relativieren möchte, ist also unhaltbar. Solche Kritiker haben im Gleichnis vom barmherzigen Vater im daheimgebliebenen Bruder des verlorenen Sohnes ihr Pendant: Er nahm Ärgernis am Verhalten des Vaters, weil er dem Bruder zuviel Barmherzigkeit erwiesen hat.. Mit Benedikt XVI. wird es hier keinen Schritt hinter das Konzil zurück geben.

KiZ: Befindet sich Ihrer Ansicht nach der christlich-jüdische Dialog jetzt in einer Krise?
Meisner: Das hoffe ich nicht. Ich kann meinen Mitbrüdern im Bischofsamt nur beipflichten, die gesagt haben: Wir dürfen uns jetzt nicht von solchen Menschen wie Bischof Williamson durcheinander bringen lassen. Eben weil die Rücknahme der Exkommunikation der vier Bischöfe ein sachlich eigenständiger Vorgang ist. Nun ist ein neues Faktum entstanden, indem einer der vier exkommunizierten Bischöfe die Tatsache des Holocaust in Abrede stellt. Mit diesem Faktum muss sich der Vatikan deshalb eigens befassen. Dass sich augenscheinlich auch die Priesterbruderschaft inzwischen von den Aussagen Williamsons distanziert, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Aufhebung der Exkommunikation und das unsägliche Interview nichts miteinander zu tun haben. Papst Benedikt XVI. hat bei seinem Besuch in der Kölner Synagoge anlässlich des Weltjugendtags 2005 seinen Vorgänger mit dem Satz zitiert: „Wer Jesus Christus begegnet, begegnet dem Judentum", und weiter sagte Benedikt: „Deshalb möchte ich ausdrücklich ermutigen zu einem aufrichtigen und vertrauensvollen Dialog zwischen Juden und Christen. (…) Unser reiches gemeinsames Erbe und unsere an wachsendem Vertrauen orientierten geschwisterlichen Beziehungen verpflichten uns, gemeinsam ein noch einhelligeres Zeugnis zu geben und praktisch zusammenzuarbeiten in der Verteidigung und Förderung der Menschenrechte und der Heiligkeit des menschlichen Lebens, für die Werte der Familie, für soziale Gerechtigkeit und für Frieden in der Welt." An der Bedeutung dieses Dialogs hat der Papst nie einen Zweifel gelassen.

KiZ: Die vier Bischöfe sind jetzt nicht mehr exkommuniziert, aber weiterhin suspendiert. Was bedeutet das konkret? Können Katholiken z.B. gültig Gottesdienste bei Priestern der Piusbruderschaft mitfeiern?
Meisner: Nein, das ist nicht möglich, denn das Schisma - die Abspaltung der Bruderschaft von der Kirche - dauert noch an. Die aufgehobene Exkommunikation bezieht sich ausschließlich auf die vier Bischöfe. Um das Schisma zu beenden, müsste jetzt die Verwirklichung der vollen Kirchengemeinschaft seitens der gesamten Priesterbruderschaft Pius X. folgen.

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