Der Staat ist nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht verpflichtet, Bürgern einen Zugang zu tödlichen Medikamenten zu gewähren, wenn keine krankheitsbedingte Notlage vorliegt. Das entschied das Gericht am Dienstag in Leipzig (BVerwG 3 C 6.17).
Älteres Ehepaar wollte gemeinsamen Suizid
Geklagt hatte ein seit 1968 verheiratetes Ehepaar, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn die Herausgabe einer tödlichen Dosis des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zweck einer gemeinsamen Selbsttötung verlangte. Das Bundesinstitut lehnte ihren Antrag im Oktober 2014 ab, weil eine solche Erlaubnis nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes ausgeschlossen sei. Auch die Vorinstanzen, das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht Münster, hatten die Klage abgewiesen.
Die Eheleute, die 1944 und 1937 geboren wurden, hatten erklärt, sie wünschten, dass ihr Leben zu einem Zeitpunkt enden solle, in dem sie noch handlungsfähig und von schweren Erkrankungen verschont seien. Sie wollten nicht miterleben, wie ihre körperlichen und geistigen Kräfte immer weiter nachließen. Auch sei es stets ihr Wunsch gewesen, den Lebensabend nicht ohne den anderen verbringen zu müssen.
2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht in einem viel diskutierten Urteil entschieden, dass es in besonderen Einzelfällen schwerer und unheilbarer Erkrankungen möglich sein müsse, vom Staat eine tödliche Dosis Natriumpentobarbital zu bekommen. Das Urteil wurde allerdings nicht umgesetzt. Das Bundesgesundheitsministerium wies das BfArM an, aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Tötungsmittel auszugeben.
Richter: Betäubungsmittel dienen Heilung und Lebensschutz
Im konkreten Fall entschieden die Leipziger Richter, dass eine Nutzung von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung nicht dem Ziel des Betäubungsmittelgesetzes entspreche, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern sowie die menschliche Gesundheit und das Leben zu schützen. "Dieser Gesetzeszweck rechtfertigt es auch verfassungsrechtlich, den Zugang zu einem Betäubungsmittel zu verbieten." Die im früheren Urteil skizzierte Ausnahme für schwer und unheilbar erkrankte Antragsteller, die sich in einer extremen Notlage befinden, liege bei den Klägern nicht vor.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sein Nein zu einer staatlichen Vergabe von Tötungsmitteln auch mit dem Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe begründet, das der Bundestag 2015 beschlossen hatte. Derzeit berät das Bundesverfassungsgericht über dieses Gesetz. Ein Urteil wird frühestens in der zweiten Jahreshälfte erwartet.
ZdK: "Selbsttötung ist nicht der Gipfel der Autonomie"
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sieht die Diskussionen über die organisierte Suizidbeihilfe in Deutschland mit "großer Sorge". ZdK-Präsident Thomas Sternberg zeigte sich verwundert über den Verlauf der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zu Klagen gegen das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidassistenz. Ihn habe es "erschreckt, dass es von den Befürwortern einer Liberalisierung und offenbar auch von einigen Richtern als Inbegriff menschlicher Freiheit gewertet wird, mit Hilfe von Ärzten, Sterbehilfevereinen oder gar staatlichen Behörden aus dem Leben scheiden zu können", sagte Sternberg.
Jeder Mensch habe zwar das Recht auf ein Sterben in Würde, fügte er hinzu. "Aber die Vorstellung von einer Gesellschaft, in der die Selbsttötung als Dienstleistung verfügbar sein muss, hat für mich nichts mit der Achtung der Menschenwürde zu tun." In einer solchen Gesellschaft werde der Menschenwürde ihre Unantastbarkeit genommen. "Die Selbsttötung ist nicht der Gipfel der Autonomie, sondern deren Auslöschung", betonte Sternberg vor der ZdK-Vollversammlung.
Erthikratsmitglied: Sterben in Würde ermöglichen
Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik und Mitglied im Deutschen Ethikrat, betonte gegenüber DOMRADIO.DE, es ginge nicht darum, Menschen in höchster Not ein Sterben in Würde zu verunmöglichen, sondern darauf, keine Anreizstruktur für Suizid zu ermöglichen: "Ich fände es ausgesprochen bedauerlich, wenn dies durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden würde."
Schon jetzt böten sich alternative Optionen in der Schweiz und in Holland. Einige nutzten diese Möglichkeit schon, dies könne aber nicht die Lösung sein.