Für Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) ist es ein "kleines Weihnachtswunder": Am Christfest im Corona-Jahr 2020 sollen erstmals seit Jahrzehnten wieder Weihnachtsgottesdienste in der Paulskirche stattfinden. Und dies, obwohl die Paulskirche gar keine Kirche mehr ist. Sondern ein nationales Denkmal, das normalerweise für Ausstellungen und Preisverleihungen genutzt wird, etwa die Vergabe des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels während der Buchmesse.
In diesem Jahr aber wird die evangelisch-lutherische Sankt Paulsgemeinde in Frankfurt an Heiligabend von ihrer angestammten Pfarrkirche - der Alten Nikolaikirche auf dem Römerberg - in die weit größere Paulskirche umziehen: In dem klassizistischen Rundbau aus Rotsandstein will die Gemeinde zwei Gottesdienste abhalten, um 15.30 und 18.00 Uhr.
Dies gilt auch nach den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen zu den verlängerten Corona-Beschränkungen. "Ja, die beiden Gottesdienste werden stattfinden - außer Gottesdienste wären an Weihnachten aus Corona-Gründen komplett verboten", sagte die Pfarrerin der Paulsgemeinde, Andrea Braunberger-Myers, am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Bis 1944 evangelische Hauptkirche Frankfurts
Es gab in den 1980er und 1990er Jahren zwar eine Reihe von Gottesdiensten in der Paulskirche, der letzte zur Jahrtausendwende. Aber: "Der letzte Heiligabendgottesdienst war 1943", so Braunberger-Myers.
Die Paulskirche wurde 1833 als evangelisches Gotteshaus geweiht und nach dem Apostel Paulus benannt. Sie diente bis 1944 als evangelische Hauptkirche Frankfurts.
Von 1848 bis 1849 war die Paulskirche Sitz der ersten deutschen Nationalversammlung. Diese erste Volksvertretung für ganz Deutschland verabschiedete die Reichsverfassung mit ihren "Grundrechten des Deutschen Volkes". Davon wurden die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland von 1949 geprägt. Die Paulskirche wurde so zur "Wiege der Demokratie".
Im März 1944 brannte die Paulskirche nach einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg aus. In den Jahren danach wurde sie in neuer Form wieder aufgebaut und nach dem Wiederaufbau 1948 als Nationaldenkmal eröffnet.
Oberbürgermeister Feldmann sagte laut einer Mitteilung der Stadt: "Wir kennen die Paulskirche als Ort des Widerstreits und der Debatte, als Ort gelebter Demokratie. Und doch thront ein Kreuz auf dem Turm. Und doch ist sie auch ein Ort des Glaubens." Dieser Aspekt werde nun wiederbelebt.
Weihnachtsgottesdienst im Stadion abgesagt
Zugleich hatte die Paulsgemeinde selbst nach einer Ausweichmöglichkeit gesucht. "Unser Infektionsschutzkonzept sieht für die Alte Nikolaikirche 32 Plätze vor", so Pfarrerin Braunberger-Myers. An Heiligabend kämen pro Gottesdienst aber üblicherweise bis zu 250 Personen. Nach dem in der Paulskirche vorgesehenen Infektionsschutzkonzept gelte nun eine Obergrenze von 180 Gottesdienstbesuchern. Hinzu kämen etwa zwölf am Gottesdienst Beteiligte wie etwa Musiker.
Manch eine Planung für andere ungewöhnliche Gottesdienstorte musste nach den Bund-Länder-Beschlüssen wieder aufgegeben werden. Etwa ein ökumenischer Gottesdienst im Frankfurter Stadion am Bornheimer Hang, dem mit rund 12.000 Plätzen zweitgrößten Fußballstadion der Mainmetropole. Der Weihnachtsgottesdienst im Stadion wurde nach Angaben des evangelischen Stadtdekans Achim Knecht inzwischen abgesagt.
Doch für sportbegeisterte Gläubige gibt es noch andere Möglichkeiten, so die Hofheimer Pfarrei Sankt Peter und Paul und das Bistum Limburg. Am 24. Dezember finde um 16.30 Uhr ein ökumenischer Weihnachtsgottesdienst in Hofheim-Diedenbergen statt - und zwar dort, wo sonst Motorräder dröhnen: auf der Speedwaybahn.