"Benedikt war kein Papstdarsteller und noch weniger ein gefühlloser Papstautomat. Er war und blieb auch auf dem Thron Petri ganz und gar Mensch."
Ein "Abendländer schlechthin"
Benedikt XVI. habe als "Abendländer schlechthin" den Reichtum der katholischen Tradition des Westens verkörpert wie kein Mensch sonst, schreibt Gänswein weiter: "Gleichzeitig öffnete er so überaus kühn das Tor für einen neuen Abschnitt der Kirchengeschichte, indem er aus freiem Entschluss seinen Fischerring ablegte, seinen Namen aber als emeritierter Papst weiter trug."
Einen Schritt wie diesen habe es noch nie gegeben. Darum wundere es nicht, dass er von manchen als revolutionär empfunden worden sei während andere das Papsttum dadurch entmythologisiert gesehen hätten - "oder auch: einfach menschlicher".
Treffen mit Missbrauchsopfern auf Malta
Von seinen Reisen mit dem früheren Papst bleibe ihm besonders die Begegnung mit Missbrauchsopfern auf Malta 2010 unvergessen, fügte Gänswein hinzu: "Der Papst hat still zugehört und die aufgewühlten Herzen der Betroffenen getröstet. Mehr als Worte vermochten seine bloße Präsenz und seine Tränen, die er nicht unterdrücken konnte. Die Beschämung über das Geschehene führte zur Bekräftigung des Heiligen Vaters, alles zu tun, damit sich solche Fälle nicht wiederholen."
Benedikt XVI. sei am Schluss nicht wegen des Verrats seines "armen und fehlgeleiteten Kammerdieners" zurückgetreten oder wegen der sogenannten "Vatileaks"-Krise im Jahr 2012, ergänzte Gänswein: "Dafür war dieser Skandal dann doch zu klein und dieser wohl bedachte Jahrtausendschritt Benedikts XVI. um so vieles größer. Er hat dieses Amt in einem Akt außerordentlichen Wagemutes erneuert - und mit letzter Kraft potenziert. Dies wird, davon bin ich überzeugt, die Geschichte erweisen."