Vatikanexperte Nersinger berichtet über Spionage im Vatikan

"Die Päpste waren eher das Opfer"

Späher, Spitzel und Agenten haben die Menschen schon immer fasziniert. In Berlin gibt es sogar ein Spionagemuseum und selbst der Vatikan ist dort Thema. Am Donnerstagabend findet dazu die Podiumsdiskussion "Agenten im Vatikan" statt.

Der Petersplatz im Vatikan wird von Kameras überwacht. (Symbolbild: Spionage Vatikan) / © Frippitaun (shutterstock)
Der Petersplatz im Vatikan wird von Kameras überwacht. (Symbolbild: Spionage Vatikan) / © Frippitaun ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was gab es für Spione im Vatikan?

Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikanexperte): Da bräuchten wir mehrere Tage. Das ist ein hochinteressantes Thema, auch weil wenn man Spionage und Vatikan verbindet, das Milieu bzw. die Ebene eines 007 verlassen muss.

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Viele Vorkommnisse im Vatikan aus den letzten Jahren und Jahrzehnten sind keine reinen Spionagefälle. Heute mischt sich das sehr, auch generell in der Welt, mit Wirtschaftskriminalität, mit politischen Agitationen, mit sexuellen Vorgängen, Entführungen, …

Das sieht man auch mit Blick auf aktuelle Fälle von Spionage im Vatikan, zum Beispiel den Prozess am vatikanischen Gerichtshof über ein Finanzvergehen. Also es ist ein richtiger Mix von Spionage und anderen Vergehen.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie in die Vergangenheit gucken, gab es einen Papst, der Spionen und Agenten besonders zugetan war?

Nersinger: Zugetan nicht. Die Päpste waren eher das Opfer, zum Beispiel das Attentat auf Johannes Paul II. Sicherlich einer der berühmtesten Fälle und eine Materie, die sich uns bis heute noch nicht erschließt. Je mehr wir in die ganzen Aktivitäten hineintauchen und die Sache untersuchen, desto mysteriöser und rätselhafter wird der Fall. Das ist ein sehr spannender Fall und auch für die Kirchengeschichte ein wichtiges Faktum. Aber es gibt oft Ereignisse, die wir bis heute nicht vollkommen erklären können.

DOMRADIO.DE: Kritiker sehen in Opus Dei eine Kampftruppe des Papstes, die einem Geheimdienst gleicht. Was sagen Sie dazu? Ist oder war Opus tatsächlich so was wie eine Kaderschmiede für Agenten?

Ulrich Nersinger, Vatikanexperte

"Die Rolle des Opus Dei wird viel zu hochgespielt."

Nersinger: Das möchte ich sehr bezweifeln. Die Rolle des Opus Dei wird viel zu hochgespielt. Opus Dei hat zu gewissen Zeiten auch unter Johannes Paul II. eine wichtige Rolle gespielt, innerkirchlich. Ich sehe keine Geheimdiensttätigkeit. Das wird aufgebaut. So stark ist der Einfluss von Opus Dei zumindest im Bereich der Spionage nie gewesen und ist auch heute doch sehr stark minimiert.

DOMRADIO.DE: Laut Spionageexperten gibt es Beweise dafür, dass die CIA und andere Geheimdienste vatikanischen Spionen unter die Arme gegriffen haben. Wissen Sie etwas über die Zusammenarbeit?

Nersinger: Das hat es immer gegeben, zum Beispiel in der Nachkriegszeit, als Italien sich zwischen einer kommunistischen und einer christdemokratischen Regierung entscheiden musste. Da hat der Papst eingreifen müssen und natürlich war das auch im Interesse der Amerikaner.

Ulrich Nersinger, Vatikanexperte

"Man kennt die Don Camillo und die Don Camillo und Peppone Filme. Die betrachten wir im Nachhinein mit sehr viel Humor, aber das war eine sehr ernste Angelegenheit."

Wir wissen, dass es deswegen sehr enge Kontakte zu den amerikanischen Geheimdiensten gab, um ein kommunistisch regiertes Italien zu verhindern. Das war eine sehr schwierige Situation für den Vatikan. Man kennt die Don Camillo und die Don Camillo und Peppone Filme. Die betrachten wir im Nachhinein mit sehr viel Humor, aber das war eine sehr ernste Angelegenheit.

DOMRADIO.DE: Am Donnerstagabend (23. Februar 2023 von 19 Uhr an) sind sie zu der Podiumsveranstaltung "Agenten im Vatikan" des Berliner Spionagemuseum als Vatikanexperte zugeschaltet. Mit Ihnen werden der Autor Moritz Enders und der Historiker Dr. Michael Feldkamp sprechen. Was darf man von dieser Veranstaltung erwarten?

Nersinger: Schon einiges. Gerade die beiden Genannten haben sich durch fachlich seriöse Beiträge in dem Bereich sehr hervorgetan. Dr. Feldkamp ist Experte zu der Zeit des Dritten Reiches und Moritz Enders hat eine der wenigen seriösen Dokumentation über das Attentat auf Johannes Paul II. gedreht. Ihre Expertise wird besonders deutlich im Vergleich mit vielen anderen, die sich mit der Materie Vatikan beschäftigt haben. Von daher kann man, darf man sich schon einiges erwarten.

Das Interview führte Verena Tröster.

Im Vatikan neue Ermittlungen im Fall Orlandi

Die Staatsanwaltschaft des Vatikanstaates ermittelt im Fall der vor 39 Jahren verschwundenen Vatikanbürgerin Emanuela Orlandi.

Wie die italienische Zeitung "Il Messaggero" berichtet, leitet der stellvertretende vatikanische Staatsanwalt Alessandro Diddi die Ermittlungen.

Zuvor hatte die Familie Orlandi über Medien und durch ihren Anwalt Druck aufgebaut, um eine Wiedereröffnung des 2015 abgeschlossenen Falls zu erwirken. Durch die Netflix-Serie "Vatican girl" hatte der Fall 2022 weltweit neue Aufmerksamkeit erfahren.

Demonstranten mit Bild der seit 1983 verschwundenen Emanuela Orlandi / © Andrew Medichini (dpa)
Demonstranten mit Bild der seit 1983 verschwundenen Emanuela Orlandi / © Andrew Medichini ( dpa )
Quelle:
DR