Claus will staatliche Aufarbeitung sexueller Gewalt stärken

Fokus der Aufarbeitung verschieben

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, spricht sich dafür aus, die Rolle des Staates bei der Aufarbeitung sexueller Gewalt zu stärken. Sie reagierte damit auf die Missbrauchsstudie im Erzbistum Freiburg.

Kerstin Claus / © Kay Nietfeld (dpa)
Kerstin Claus / © Kay Nietfeld ( dpa )

"Dabei muss neben der institutionellen Aufarbeitung auch die individuelle Aufarbeitung von Betroffenen endlich im Fokus staatlicher Verantwortung stehen", schrieb sie auf Twitter.

Missbrauchsstudie im Erzbistum Freiburg

Claus reagierte auf die am Dienstag veröffentlichte Untersuchung zu sexualisierter Gewalt und Verschleierung von Missbrauchstaten im Erzbistum Freiburg: "Der Bericht macht erneut und sehr schonungslos deutlich, wie stark einzig der Schutz der Institution und der Schutz der Täter über Jahrzehnte und auch noch nach dem Frühjahr 2010 im kirchlichen Fokus standen."

Erzbischof Robert Zollitsch

Geboren am 9. August 1938 in Filipovo im ehemaligen Jugoslawien kam Robert Zollitsch mit seiner Familie als Nachkriegsflüchtling in die Bundesrepublik. Nach dem Abitur in Tauberbischofsheim und dem Theologiestudium wurde er 1965 in Freiburg zum Priester geweiht.

Zunächst arbeitete er als Seelsorger in Buchen im Odenwald, danach in der Priesterausbildung. 1974 promovierte er in Freiburg. Ab 1983 und bis zu seiner Bischofsernennung 2003 war Zollitsch Personalchef im Bistum Freiburg.

Robert Zollitsch  / © Patrick Seeger (dpa)
Robert Zollitsch / © Patrick Seeger ( dpa )

2010 waren im großen Umfang Missbrauchsfälle durch katholische Geistliche bekannt geworden. Daraufhin hatten die Bischöfe umfassende Aufklärung und Aufarbeitung versprochen.

Auch nach Ansicht der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs muss der Staat eine größere Rolle bei der Aufklärung spielen. Der Freiburger Missbrauchsbericht mache erneut deutlich, dass Personen in Spitzenämtern ihre Macht jahrzehntelang massiv missbraucht hätten. Die Interessen der Institution seien um jeden Preis geschützt worden, so Kommissionsmitglied Heiner Keupp am Dienstag in Berlin.

Er forderte einen Rechtsrahmen für die Aufklärung. Für Betroffene müsse gesetzlich verankert werden, dass sie Zugang zu Akten sowie einen Anspruch auf Auskunft von Institution und auf Beratungsangebote hätten. Aufarbeitungskommissionen müssten vor den Einflussmöglichkeiten von Institutionen geschützt sein.

Fehlverhalten bei Erzbischöfen Zollitsch und Saier

Die am Dienstag veröffentlichte Bericht zum Erzbistum Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester.

Oskar Saier

Oskar Saier (1932-2008) arbeitete mehr als 30 Jahre in Leitungspositionen im Erzbistum Freiburg. Von 1978 bis zum krankheitsbedingten Rücktritt 2002 war er Erzbischof. Zuvor leitete er das Priesterseminar.

Erzbischof Oskar Saier im Jahr 2000 (KNA)
Erzbischof Oskar Saier im Jahr 2000 / ( KNA )

Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts. Für Betroffene und Angehörige habe es keine Hilfen gegeben.

Der Leiter der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Freiburg, Magnus Striet, geht von mehr als 250 Priestern seit 1945 aus, die des Missbrauchs schuldig sind oder beschuldigt werden. Die Zahl der Opfer gab Striet mit mindestens 540 an. Die Zahlen seien aber mit großer Vorsicht zu betrachten, weil von einem erheblich größeren Dunkelfeld auszugehen sei.

Missbrauchsstudie im Erzbistum Freiburg

Die Untersuchung zu sexualisierter Gewalt und Verschleierung von Missbrauchstaten im Erzbistum Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester. Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts. Für Betroffene und Angehörige habe es keine Hilfen gegeben: "Sie wurden allein gelassen."

Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser (KNA)
Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser ( KNA )
Quelle:
KNA