Erster Parteitag der Linken - 50 Milliarden für Bildung, Arbeit und Gesundheit

Spielt Geld eine Rolle?

Der erste Parteitag der 2007 neugegründeten Linken hat am Samstag in Cottbus begonnen. Ein neues Investitionsprogramm soll verabschiedet werden. Und die Pläne der Partei kämen teuer, würden sie denn je umgesetzt. Zehn Euro Mindestlohn strebt die Partei an, Hartz IV soll abgeschafft werden genauso wie die Rente mit 67. 50 Milliarden will die Partei für all die Wohltaten ausgeben, finanziert durch kräftige Steuererhöhungen. In einer "Ein-Mann-Schau" stimmte Lafontaine die Delegierten auf das Wochenende ein.

 (DR)

Den Delegierten liegt ein Leitantrag des Parteivorstandes vor, in dem ein 50 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm für Bildung, Gesundheit, Umwelt und Arbeit gefordert wird. Unter anderem sollen 500 000 öffentlich finanzierte Stellen geschaffen werden. Als Gegenfinanzierung setzt die Linke auf kräftige Steueranhebungen. Weitere Forderungen sind die Rücknahme der Rente mit 67, gesetzliche Mindestlöhne von zunächst acht und später zehn Euro, die Abschaffung von "Hartz IV" und der Atomausstieg.

Unter dem Motto "Widerstehen. Sagen, was ist. Politik verändern." wollen die 562 Delegierten über den künftigen Kurs der Partei diskutieren und knapp ein Jahr nach der Parteigründung eine neue Führungsmannschaft bestimmen. Die Wiederwahl der bisherigen Vorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine gilt als dabei sicher.

"Wind der Geschichte in unseren Segeln"
Mit scharfen Angriffen auf die schwarz-rote Bundesregierung und der Forderung nach einem Radikalumbau des Rentensystems hat Linke-Chef Oskar Lafontaine den Bundestagswahlkampf 2009 seiner Partei eröffnet. Lafontaine rief seine Partei auf, die Linke klar als Antikriegspartei und Partei der sozialen Gerechtigkeit zu etablieren. Lafontaine unterstrich: "Wir haben den Wind der Geschichte in unseren Segeln."

Der Linke-Chef warf Schwarz-Rot falsche politische Weichenstellungen und Realitätsverlust beim Kampf gegen Armut vor. Union und SPD seien es gewesen, die eine jährliche Umverteilung von 22 Milliarden Euro von unten nach oben organisiert hätten. "Der Armutsbericht ist ein Armutszeugnis dieser Bundesregierung und der Vorgängerregierung", betonte er. Auch außenpolitisch sei die große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) genauso unglaubwürdig wie die "Kriegs-Grünen".

Angesichts der jüngsten Krise auf den internationalen Finanzmärkten forderte der Linke-Chef ein Verbot von Hedgefonds, eine Börsenumsatzsteuer sowie weniger Möglichkeiten von Finanzinvestoren. Zudem müsse es eine "Neuverteilung" des Betriebsvermögens geben, deren Zuwächse zur Hälfte den Arbeitnehmern überlassen werden sollten.

Erneut lehnte Lafontaine die beschlossene Teilprivatisierung der Deutschen Bahn ab. Es sei ein "Trauerspiel", dass die SPD "wieder mal eingeknickt" sei. Selbst bei der Pressefreiheit zeige Schwarz-Rot ein Demokratiedefizit. Zeitungen würden bei Übernahmen "immer mehr den Standards des Finanzmarktkapitalismus unterworfen".

Die Linke - eine "Ein-Mann-Schau"?
Die Zugkraft Lafontaines ist allen in der Partei bewusst, die meisten sind ihm dankbar dafür. Doch geht die Autorität des Saarländers einigen Genossen zunehmend gegen den Strich. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt dessen Ankündigung, auch nach 2010 weiter an der Spitze der Partei zu stehen - dann alleine.

Die scheidende Parteivize Katina Schubert macht aus ihrer Abneigung gegen die Pläne keinen Hehl. Während Lafontaine sich in Rage redet, schaut sie gelangweilt in den Raum, dreht den Kopf demonstrativ zur Seite, steht irgendwann einfach auf und geht aus dem Saal.

Langsam reiche es nicht mehr, nur Forderungen zu stellen und die Oppositionsrolle zu übernehmen, mahnt Schubert. Sie arbeitet für die Berliner Senatsverwaltung, dem einzigen Land, in dem die Linke mitregieren. Dort müsse sie schon lange nach "konkreten Lösungen und Wegen" suchen. Das fehle ihr anderswo in der Partei. Auch Bisky ruft die Partei in Cottbus auf, sich zu öffnen und an praktischen Lösungen zu arbeiten.

Sahra Wagenknecht, die Wortführerin der Kommunistischen Plattform, zieht da nicht mit. "Eine konsequente Oppositionspolitik ist sehr viel verantwortungsvoller als eine Regierungsbeteiligung, in der man leicht das eigene Gesicht verliert", sagt sie unter Beifall zahlreicher Delegierter. Selbst aus den Reihen des Parteivorstandes gibt es Zustimmung, als sie betont, die Linke habe ihre große Akzeptanz als "glaubwürdige Opposition" gewonnen - auch weil sie bereit sei, "die Systemfrage zu stellen".

Bloß keinen großen Streit anfangen, bloß nicht als Partei der Hitzköpfe dastehen, hatte die Parteispitze kurz vor dem Auftakt des Delegiertentreffens als Losung ausgegeben. Schließlich stehen einige Landesverbänden vor wichtigen Wahlkämpfen. "Da zählt vor allem, wie die Linke bundesweit wahrgenommen wird", sagt der aus Bayern kommende Linke-Vorstand Fritz Schmalzbauer. Er muss in den kommenden Monaten Wahlkampf führen - und setzt dabei auch auf Lafontaine. "Der kann nun mal Hallen füllen", erinnert Schmalzbauer.

Fraktionschef Gregor Gysi versucht zu vermitteln. Der frühere SPD-Chef sei "schon ein bisschen chefiger" als der ehemalige PDS-Chef Bisky. Aber da müsse die neue Linkspartei "durch". Denn eines sei doch auch klar: "Lafontaine ist ein Gewinn für uns."

Auf dem Parteitag wurden Lothar Bisky (81,3%) und Oskar Lafontaine (78,5%) als Bundesvorsitzende im Amt bestätigt.


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