Experte spricht über 500 Jahre Fußballgeschichte im Vatikan

"Papst Franziskus hat sich immer für Fußball interessiert"

Deutschland ist im Fußballfieber, zusammen mit ganz Europa. Aber wie sieht es mit dem Vatikan aus? Welche Päpste selbst Fußball gespielt haben und wie die Sportart zuerst in den Vatikan kam, erklärt Vatikan-Experte Ulrich Nersinger.

Vatikanflagge auf dem Fußballfeld, im Hintergrund die Kuppel des Petersdoms / © Nicola Trenz (KNA)
Vatikanflagge auf dem Fußballfeld, im Hintergrund die Kuppel des Petersdoms / © Nicola Trenz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wann beginnt die Geschichte des Fußballs im Vatikan?

Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Die ersten Nachrichten stammen aus dem Jahre 1521. Da fand das erste "Fußballspiel" statt. Wobei das mit modernem Fußball noch nicht so viel zu tun hatte. Es war der sogenannte "Calcio Fiorentino", also der Florentiner Fußball. 

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Das war mehr eine Art Rugby, ein ziemlich brutaler Sport. Dieses Spiel wurde 1521 auch im Vatikan gespielt, denn die damaligen Päpste waren Florentiner. Und das Überraschende ist: Drei dieser Päpste hatten in ihrer Jugend selbst diesen "Calcio" gespielt. 

DOMRADIO.DE: Und wann erreicht der moderne Fußball, so wie wir ihn heute kennen, den Vatikan?

Nersinger: Das kommt relativ spät. Den Anfang machte vielleicht Pius IX. (1846-1878). Noch vor seiner Amtszeit als Papst leitete er ein römisches Hospiz. Den darin wohnenden Waisenkindern verschaffte er Bälle. Ob diese Bälle nun aber für Fußball oder aber für Handball verwendet wurden, wissen wir nicht. 

Das Pontifikat Papst Pius des IX. dauerte von 1846 bis 1878 an und prägte die katholische Kirche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich. (KNA)
Das Pontifikat Papst Pius des IX. dauerte von 1846 bis 1878 an und prägte die katholische Kirche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich. / ( KNA )

Das ist auch eine historische Spur. Aber so richtig kommt Fußball im Vatikan erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Eine der ersten Fußballmannschaften im Vatikan war vermutlich ein Team der Schweizergarde.

Ulrich Nersinger

"Pius XII. empfing als erster Papst Fußballteams."

DOMRADIO.DE: Gab es denn Päpste, die als Fußballfans bekannt waren oder irgendeine besondere persönliche Verbindung zu Fußball haben? 

Nersinger: Da muss man unterscheiden: So richtige Fußballfans auf dem Heiligen Stuhl haben wir bis in die späte Mitte des vergangenen Jahrhunderts eigentlich nicht. Aber wir haben zum Beispiel Pius XII. Sport zu fördern, war ihm ein Anliegen. Auf sein Ansinnen hin wurde etwa ein Fußballplatz errichtet, der später auch seinen Namen trug. Er war es auch, der die ersten Fußballklubs empfing. 

Papst Franziskus und der Fußball  / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus und der Fußball / © Andrew Medichini ( dpa )

Darauf folgte aber ein Intermezzo, wo Fußball keine große Rolle spielte. Johannes XXIII. war eher ein Anhänger von Winston Churchills berühmtem Motto "No Sports". Paul VI. war auch kein Fußballer. Er bemühte sich aber trotzdem, Fußball zu fördern. Er empfing beispielsweise die deutsche Nationalmannschaft. Die richtigen Fußballpäpste aber, die in ihrer Jugend selber Fußball gespielt hatten, das waren Johannes Paul II. und nun natürlich Franziskus. 

DOMRADIO.DE: Denken Sie, dass Franziskus auch die aktuelle Fußball-EM verfolgt?

Nersinger: Das ist das große Rätsel. Der Vatikan schweigt sich diesbezüglich ein bisschen aus, aber ich vermute, dass Franziskus doch hin und wieder hinschaut. Er hat in seiner Jugend Fußball gespielt. Er hat sich seither immer dafür interessiert. Und er ist der Papst, der die meisten Fußballklubs empfangen hat. Dieses Interesse spiegelt sich auch in seinen Ansprachen: Immer wieder spricht er über das Thema Fußball.

Papst Franziskus mit der Nationalmannschaft / © Osservatore Romano (dpa)
Papst Franziskus mit der Nationalmannschaft / © Osservatore Romano ( dpa )

DOMRADIO.DE: Und Sie selbst? Wir haben gehört, dass Sie selbst mal Karten fürs WM-Endspiel 1990 in Rom hatten, schlussendlich aber gar nicht hingingen.

Nersinger: An diese Episode denke ich mit ein bisschen Schrecken zurück, weil ich damals fast gelyncht worden wäre (lacht). Ich hatte zwei Karten bekommen, erkannte damals, im Jahr 1990, den Wert dieser Karten aber gar nicht. Ich war auch kein großer Fußballfan. 

Beim Mittagessen erzählte ich dann im Kolleg, dass ich diese Karten habe, aber nicht weiß, was ich damit tun soll. Ich wollte die schon wegwerfen und wurde deshalb beinahe gelyncht. Alle sind aufgestanden und haben mich umringt. Die Lösung war dann, die beiden Karten in einer Tombola zu verlosen. Das ist in Italien immer beliebt.

Die beiden Mitstudenten, die die Karten gewonnen haben, sind mir heute noch dankbar.

Das Interview führte Florian Helbig.

Quelle:
DR