Fürstäbtissin Maria Kunigunde bekommt eigenen FrauenOrt in Essen

Pionierin, Powerfrau, Unternehmerin

Wie sich Maria Kunigunde von Sachsen als letzte Essener Fürstäbtissin um Stadt und Region verdient gemacht hat, erklärt Birthe Manfording vom Kulturzentrum Schloss Borbeck. Dort wird sie nun als historische Persönlichkeit geehrt.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Blick auf Schloss Borbeck / © Martin Sulkowski (privat)
Blick auf Schloss Borbeck / © Martin Sulkowski ( privat )

DOMRADIO.DE: Wer war diese Maria Kunigunde von Sachsen? 

Birthe Marfording (Kulturzentrum Schloss Borbeck): Maria Kunigunde war Prinzessin von Sachsen, Polen und Litauen aus dem Haus Wettin. Sie war das fünfzehnte und jüngste Kind ihrer Eltern, sie war Enkelin August des Starken und Nichte der Kaiserin Maria Theresia. In Essen war sie Fürstin und Äbtissin, privat war sie Unternehmerin und wir können sie auch als Industriepionierin bezeichnen. 

Birthe Marfording

 (...) wir können sie auch als Industriepionierin bezeichnen.

DOMRADIO.DE: Sie selbst schlüpfen bei Schlossführungen regelmäßig in die Rolle der diversen Fürstäbtissinnen, auch in die von Maria Kunigunde. Wie fühlt sich das an? 

Marfording: Die (Link ist extern)Essener Fürstäbtissinnen faszinieren mich. In ihrer Zeit, die zumindest laut unserer üblichen Geschichtsschreibung männlich dominiert war, haben diese Frauen jeweils ein selbstbestimmtes Leben geführt, jenseits der übliche Wege, die entweder Heirat oder Kloster bedeuteten. 

Birthe Marfording als Maria Kunigunde von Sachsen vor ihrem Portrait auf Schloss Borbeck / © Angelika Möllhoff (privat)
Birthe Marfording als Maria Kunigunde von Sachsen vor ihrem Portrait auf Schloss Borbeck / © Angelika Möllhoff ( privat )

Maria Kunigunde galt darüber hinaus als eine Frau voller Esprit und als sehr großzügig. Wer sie kennt, muss sie respektieren und lieben. 

DOMRADIO.DE: Wie mächtig war denn eine Fürstäbtissin überhaupt und wie hat Maria Kunigunde ihre Macht genutzt? 

Marfording:  Die Essener Fürstäbtissinnen waren Souveräne eines kleinen, eigenständigen Staates. Essen war ein Fürstentum – ein Reichsstift, kein Kloster, einzig Papst und Kaiser untertan. Das ist ganz wichtig. Auf politischem Gebiet waren die Fürstäbtissinnen gleichsam Königinnen im Kleinen. 

Sie hatten Sitz und Stimme im Reichstag. Das heißt, sie durften den Kaiser mitwählen und die Reichspolitik nach außen und innen mitbestimmen. Sie hatten außerdem alle Rechte und Pflichten einer Reichsfürstin, wie Polizeigewalt, Justizwesen oder auch das Recht zur Münzprägung. Das Stift Essen hatte etwa die Größe des heutigen Liechtenstein. 

Hinzu kamen Besitzungen am IJsselmeer, an der Erft und bei Königswinter. Es war ein finanzstarkes Gemeinwesen mit eigenen Weingütern, über 140 Rittersitzen und gut 3.000 Bauernhöfen. Maria Kunigunde fühlte sich ganz im Sinne des aufgeklärten Absolutismus für ihre Untertanen verantwortlich. 

Sie verstand sich nicht mehr als von Gott eingesetzte Herrscherin, die über jedwedes Gesetz erhaben ist, sondern als oberste Repräsentantin einer vernünftigen Staatsordnung. 

Ganz in diesem Sinne hat Maria Kunigunde die Strukturen im Stift Essen erneuert und dabei eine ungewöhnliche Reformfreude und Geschäftssinn bewiesen. Durchaus zeitgemäß reformierte sie im Stift Essen das Rechts- und Bildungswesen. In ihrer Regierungszeit entstand die erste schriftliche Verfassung des Stiftes Essen. 

Birthe Marfording

"Als Unternehmerin musste sie einfach ordentlich kalkulieren."

Übrigens einzig im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bildeten damals in Essen Frauen den ersten Landstand. Darüber hinaus erließ Maria Kunigunde eine Forst- und Jagdverordnung und regelte das Gesundheitswesen. Vor allem förderte sie die wirtschaftliche Lage in ihrem Stiftsgebiet. 

Dazu schaffte sie immerhin achtzehn kirchliche Feiertage ab. Per Verordnung schränkte sie den Luxus bei Kindstaufen, Hochzeiten und Begräbnissen ein. Sie erhob eine Genusssteuer auf Kaffee. 

All das sollte die Menschen vor Elend schützen. Maria Kunigunde darf als Unternehmerin gelten, deren Ziel es immer war, mehr Geld zu erwirtschaften als auszugeben. Als Unternehmerin musste sie einfach ordentlich kalkulieren. 

DOMRADIO.DE: Maria Kundigunde hat also in klassisch männerdominierten Bereichen wie Staats-, Wirtschafts- und Rechtswesen mächtig mitgemischt. Was hat sie denn konkret für die Stadt Essen erreicht? 

Marfording: Sie hat sich tatsächlich in alle Bereiche eingemischt. Das wurde ihr auch immer wieder vorgeworfen, ganz besonders in Koblenz, wo sie die First Lady am Hof ihres Bruders war und als heimliche Kurfürstin galt. Neider dort behaupteten sogar, ihr Bruder und die gesamte Regierung des Kurfürstentums tanzten nach ihrer Pfeife. 

Historische Burg Borbeck, Wahrzeichen der Ruhrmetropole Essen am 27. Oktober 2022 in Nordrhein-Westfalen, Deutschland. / © alfotokunst (shutterstock)
Historische Burg Borbeck, Wahrzeichen der Ruhrmetropole Essen am 27. Oktober 2022 in Nordrhein-Westfalen, Deutschland. / © alfotokunst ( (Link ist extern)shutterstock )

Später warfen andere Neider ihr vor, sie habe in ihrem Stift Essen nichts Eigenständiges zu Wege gebracht, sondern immer nur das umgesetzt, was ihr Bruder bereits in Koblenz gemacht hatte. Das zeigt, in welchem Zwiespalt sie sich befand. In und für Essen schuf Maria Kunigunde Grundlagen, auf denen künftige Generationen aufbauen konnten, nicht zuletzt die Industrialisierung. 

Maria Kunigunde kannte die Erzgewinnung aus ihrer Heimat Sachsen; ihr Bruder Clemens Wenzeslaus hatte den Bergbau ebenfalls begünstigt. Dennoch war es für eine Frau ihrer Zeit bestimmt nicht üblich, dass ihr zwei Eisenhüttenwerke privat gehörten und beide Werke für ihre Zeit als mustergültig galten. 

DOMRADIO.DE:  Maria Kunigunde bekommt jetzt einen eigenen (Link ist extern)FrauenOrt NRW auf Schloss Borbeck. Warum genau da? 

Mafording: Maria Kunigunde selbst schrieb selbst (Link ist extern)über das Schloss: "Ich werde mich auf die Landschaft, das Landgut Borbeck beschränken, die ich sehr mag, weil ich ein Faible für die Natur habe." 

Wenn Maria Kunigunde in Essen weilte, übernachtete sie daher immer im Schloss Borbeck, das sie zu einer Sommerresidenz ausbauen ließ. Vor allem aber ließ sie den barocken Park in einen englischen Landschaftsgarten umgestalten, der noch 1922 als eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges im Ruhrkohlebezirk bezeichnet wurde. 

Nicht zu Unrecht steht der Schlosspark in Borbeck heute als eine der ältesten gestalteten Parkanlagen unter Denkmalschutz. 

DOMRADIO.DE: Was können sich heutige Frauen von der Fürstäbtissin abgucken, was speziell Katholikinnen? 

Marfording: Zunächst einmal möchte ich dem (Link ist extern)Frauenrat NRW für dieses Projekt danken, mit dem die Mitglieder besondere Frauen hervorheben, sie sichtbar machen. Für Maria Kunigunde gilt: Wir Frauen kämpfen heute zum Beispiel noch immer um volle Gleichberechtigung in der katholischen Kirche, zum Beispiel die Frauen von Maria 2.0. 

Maria Kunigunde hat schon damals als Frau diese Macht innerhalb der Kirche gehabt. Sie ging als Fürstäbtissin, Powerfrau und erfolgreiche Unternehmerin unbeirrt ihren Weg. 

Klug und unabhängig suchte sie sich die jeweils besten Lebensformen der damaligen Zeit heraus; sie ließ sich nicht beeinflussen von dem, was andere möglicherweise über sie denken konnten. Sie ging ihren Weg, stand ihren Mann – nein, ihre Frau. 

Das Gespräch führte Hilde Regeniter.

Bistum Essen

Das Bistum Essen ist eines der jüngsten und kleinsten unter den 27 römisch-katholischen Bistümern in Deutschland. Auch in Nordrhein-Westfalen ist es mit 1.877 Quadratkilometern und knapp 680.000 Mitgliedern das kleinste Bistum.

Es wurde am 1. Januar 1958 aus Teilen der (Erz-)Bistümer Köln, Münster und Paderborn errichtet; damals zählte die Diözese noch rund 1,5 Millionen Mitglieder. Heute sind es 638.000 Mitglieder (Stand März 25). 

Blick auf den Essener Dom / © frantic00 (shutterstock)
Quelle:
DR

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