DOMRADIO.DE: Woher stammt die Statue der heiligen Barbara, die in der Schalker Arena steht?
Ernst-Martin Barth (Seelsorger in der Arena "Auf Schalke"): Sie ist eine Leihgabe des ehemaligen Gelsenkirchener Bergwerks der Zeche Hugo. Da gibt es den Klaus Herzmanatus, einen bekannten Bergmann hier aus Gelsenkirchen. Er hat die Statue der heiligen Barbara aufbewahrt und stellt sie seit kurzem unserem Verein als Dauerleihgabe zur Verfügung.
Die Idee, die Heilige Barbara hier zu integrieren, stammt allerdings von unserem Verein Schalke 04. Es gibt eine ganz tiefe Verbindung zwischen dem Verein und Hugo. Der Verein verneigt sich mit dieser Symbolik vor seinem Ursprung, dem Bergbau. Willi Koslowski, der Meisterspieler, den wir in diesem Jahr zu Grabe getragen haben, hat auch lange in Hugo gearbeitet. Das Bergerfeld, das Gebiet, auf dem die Arena hier steht, wurde über den Stollen von Hugo errichtet.
In der letzten Strophe unseres Vereins Liedes, dem Steigerlied, das wir vor jedem Spiel singen, wird die heilige Barbara gebeten, Wache für die Menschen zu halten.
DOMRADIO.DE: Der Spieler-Stollen wurde als Standort für die Statue der Heiligen Barbara gewählt. Das ist ein schwarzer Tunnel und es sieht so aus, als würde man durch einen Kohlestollen gehen. Wieso wurde dieser Standort gewählt?
Barth: Dieser Tunnel ist einem Bergstollen nachempfunden und er erinnert an diese tiefe Verbindung zwischen Bergbau und Fußball in Gelsenkirchen. Er erinnert auch an die Menschen, die aus Ostpreußen und Schlesien nach Gelsenkirchen gekommen sind, um hier zu arbeiten. Somit erinnert er auch an Flucht, Vertreibung und Migration. Durch diesen Tunnel laufen die Spieler von Schalke 04 linksseitig auf das Spielfeld und damit direkt an der Statue vorbei, die hier sehr unaufdringlich und sehr angenehm in die Wand eingefügt ist. Ich glaube, wir haben hier einen sehr passenden Ort gewählt.
DOMRADIO.DE: Als evangelischer Pfarrer haben Sie eine andere Beziehung zu Heiligenfiguren als ein katholischer Priester. Was bedeutet Ihnen die Heilige Barbara und welche Rolle kann Barbara hier spielen?
Barth: Diese Heiligenverehrung hatte sich sehr früh etabliert, genauso wie der Reliquienkult. Das erlebte im Mittelalter einen Höhepunkt. Dann kam Martin Luther, der die Heiligenverehrung selbst mitbekommen hatte und mit dieser Tradition aufgewachsen war, und brach mit dieser Tradition vollends.
Er sah die Gefahr, dass die Leute mehr Zuversicht auf die Heiligen setzten als auf Jesus Christus. Der Heilige ist im Sinne der Reformation in erster Linie ein Zeuge für den gnädigen und frei machenden Gott. Die Verehrung von Heiligen ist - meine ich - aus evangelischer Sicht unbedenklich, aber alles, was einer Anbetung nahekommt, ist mit der Bibel des Neuen Testaments nicht vereinbar. Denn dort heißt es zum Beispiel im ersten Timotheus-Brief, dass Jesus Christus der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist.
DOMRADIO.DE: Die Heilige Barbara wird als Schutzpatronin für die Spieler und das Stadion gesehen. Wie passen Glaube und Fußball zusammen?
Barth: Glaube und Fußball gehören zusammen, auch wenn das letztlich natürlich zu unterscheiden ist. Symbol dafür ist unsere Kapelle, die einige Meter von uns entfernt steht. Altar und Anstoßpunkt sind dort wie durch eine Sichtlinie miteinander verbunden. Diese Kapelle ist ein ökumenischer Sakralraum, in dem Menschen Stille finden, Raum für die Seele und das Gebet erhalten. Hier werden Kinder getauft. Das Leben von Paaren wird unter Gottes Segen gestellt. Wir beten für Verstorbene. Wir entzünden Lichter für Opfer von Katastrophen und auch Menschen mit schweren Lebensschicksalen kommen vor jedem Spiel hierhin zu Gesprächen und für die Seelsorge. Hier können sich aus dem Glauben und aus der Berührung mit Gottes Wort auch wieder neue Lebensperspektiven für die Menschen eröffnen.
DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich von der Präsenz der Heiligen Barbara hier an diesem Ort, in dem Stollen?
Barth: Für mich gehört die Heilige Barbara zu den wichtigen Zeuginnen unseres christlichen Glaubens. Sie starb einer Legende nach am 4. Dezember des Jahres 306. Sie war eine mutige junge Frau. Sie war gebildet, ließ sich dann gegen den Willen ihres Vaters taufen und trotz Folter und Gefängnis ließ sie sich von ihrem christlichen Glauben nicht abbringen, weil sie auf der Flucht von einem Felsen geschützt wurde, wählten die Bergleute sie zu ihrer Schutzpatronin.
Diese Frau steht für mich für Tapferkeit, für Standfestigkeit, für Glaubenstreue. Ich denke, das sind doch Lebenshaltungen, die wir in dieser Zeit der immer neu aufflammenden Kriege, der politischen Unsicherheiten gut gebrauchen können. Das macht sie neben anderen Heiligen wichtig für mich, für die Menschen und für das Stadion. Ihre Legende ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Glaube uns trägt und dass Mut und Zusammenhalt elementar wichtig sind. Gerade auf dem Platz. Das gilt derzeit besonders auch für den FC Schalke 04 und es wäre schön, wenn die Bedeutung Barbaras die Menschen auch innerlich neu berühren würde. Das öffnet gerade in der Adventszeit die Seele für Gottes Nähe, seinen Trost und seine Güte.
DOMRADIO.DE: Könnten Sie sich vorstellen, die Heilige Barbara in Ihre tagtägliche Arbeit zu integrieren?
Barth: Bei meinen Führungen wird Sie jetzt ein fester inhaltlicher Punkt sein. Darauf freue ich mich. Besondere Anlässe haben aber immer ein eigenes Thema, da könnte es thematisch schwierig werden, aber eine ökumenische Andacht oder einen Gottesdienst sind eine gute Idee. Allerdings bräuchte sie dann schon noch einen etwas größeren Rahmen als diesen überschaubaren Raum der Kapelle. Vielleicht gibt es dann noch eine größere Gelegenheit, das zu feiern.
DOMRADIO.DE: Der Bergbau hat eine lange Tradition im Ruhrgebiet. Welche Bedeutung hat die Heilige Barbara als Schutzpatronin der Bergleute in unserer Region?
Barth: Vielleicht ist ihre Bedeutung ein wenig verblasst, aber einige Vereine feiern den 4. Dezember immer noch. Einige sogar mit einem Gottesdienst, das Bergbaumuseum in Bochum zum Beispiel oder das Trainingsbergwerk in Recklinghausen. Daher ist es schön, dass Schalke 04 der Heiligen Barbara hier im Stadion nun einen würdigen Platz eingeräumt hat und damit die Erinnerung an die Tradition des Bergbaus, der Kumpel und Malocher weiterhin stärkt.
Das Interview führte Oliver Kelch.