DOMRADIO.DE: Nach acht Jahren sind Sie bald kein Präses mehr. Welche Gedanken gehen Ihnen da gerade durch den Kopf?
Manfred Rekowski (Scheidender Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland): Wir hatten am Beginn meiner Amtszeit mit einer ernsthaften Vertrauenskrise nach einem Finanzskandal zu tun. Und dann merkt man ja gerade in so einer Beteiligungskirche, wie es die evangelische Kirche ist, dass nichts ohne Vertrauen geht. Das war eine meiner ersten Aufgaben, wirklich gemeinsam mit der Kirchenleitung vertrauensbildend zu wirken. Das geht nur mit ganz viel Transparenz, mit ganz viel Kommunikation. Und ich finde, es ist damals für uns und für mich ein Geschenk des Himmels gewesen, dass wir wieder ein großes Vertrauen zwischen Kirchenleitung und den Gemeinden und unserer Landessynode herstellen konnten.
Also, es ist mir nicht fremd, dass es echte Krisen gibt, wo man sich wirklich zur Decke strecken muss. Aber wir haben in diesen acht Jahren, und das ist mir besonders wichtig, auch Neues beginnen können. Zum einen war das unsere Jugendsynode, wo wir als Kirche gesagt haben, wir müssen auf die jungen Menschen nochmal ganz anders zugehen, hinhören und sie müssen unsere Kirche mitgestalten.
Das andere sind neue Gemeindeformen, dass man merkt, das, was jahrelang bewährt war, findet nicht mehr genügend Resonanz und wir müssen neue Wege beschreiten.
DOMRADIO.DE: Auf welche Ereignisse blicken Sie mit besonders viel Freude zurück?
Rekowski: Tatsächlich die dynamische Jugendsynode auf Augenhöhe, Begegnung zwischen den Kirchenleitenden und den jungen Leuten. Das hat Spaß gemacht, das hat einen richtigen Schub gegeben. Und die Resonanz von den jungen Leuten zu bekommen "Mensch, das ist klasse. Ihr nehmt uns ernst", war mir ganz wichtig.
Aber ich will auch ganz andere Beispiele nennen, die mich sehr bewegt haben. Ich denke an meinen Besuch in Idomeni, in Nordgriechenland 2016. Dort habe ich sehen und wahrnehmen können, in welch schwierigen Situationen Flüchtlinge leben und dann versucht, als Präses dieser Kirche auch öffentlich die Menschen wachzurütteln. Das war mir immer ein ganz wichtiges Anliegen.
DOMRADIO.DE: Gerade jetzt verändert sich für viele Menschen der Blick auf die Kirche. Die hat es ja mit Veränderungen nicht immer so, jedenfalls geht das alles nicht so schnell. Wie hat sich die evangelische Kirche im Rheinland in den vergangenen Jahren verändert? Was haben Sie da festgestellt?
Rekowski: Ich habe in den Mittelpunkt meiner Amtszeit das Motto "Wir müssen eine veränderungsbereite Kirche werden" gestellt. Wir glauben an Jesus Christus. Der hat Menschen zu Umkehr gerufen, hat nicht Menschen gesagt "Bleibt, wo ihr seid, bleibt, wie ihr seid", sondern er hat Menschen zur Umkehr aufgerufen. Und so müssen wir auch eine veränderungsbereite Kirche sein.
Unsere Kirchen sind wirklich große Tanker, die manchmal sehr schwerfällig sind. Wir haben in unserer Kirche entschieden, wir wollen die Experimentierfreude der Menschen fördern. Das heißt, wir sagen nicht mehr "Wir warten solange, bis wir flächendeckende Reformen umsetzen", sondern wir laden ein, in Erprobungsräumen mit einem Erprobungsgesetz auch auf Zeit Kirchengesetze außer Kraft zu setzen, neue Wege auszuprobieren. Dann sagt man entweder "Wunderbar, das geht in Serie". Oder wir müssen auch den Mut haben, zu sagen "Das war ein Irrtum, diese Art der Gemeindearbeit wird nicht nachgefragt".
Eine veränderungsbereite Kirche zu sein, das ist unsere Aufgabe. Nur so bleiben wir nahe bei den Menschen. Das ist eine Riesenaufgabe für uns in allen Kirchen.
DOMRADIO.DE: Thorsten Latzel wird Ihr Nachfolger. Welche Aufgaben und vielleicht auch Hoffnungen überlassen Sie ihm?
Rekowski: Ich habe sehr bewusst entschieden, nicht noch einmal anzutreten, sondern zu sagen "Leitung auf Zeit ist in der evangelischen Kirche der Normalfall". Deswegen bin ich nicht mehr zur Wiederwahl angetreten.
Natürlich ist klar klar, dass in acht Jahren nicht auf einmal alles abgeschlossen ist, sondern wir sind mittendrin in Veränderungsprozessen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass Thorsten Latzel mit seiner Prägung, mit seinem theologischen Profil, mit seinen Ideen, unserer Kirche guttun wird. Er ist 13 Jahre jünger als ich und sieht Dinge anders.
Das Interview führte Carsten Döpp.