KNA-Hauptstadtredaktion hält Regierung bis Ostern für ausgeschlossen

"Das geht jetzt schnell, aber reicht wohl nicht"

Die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD verzögern sich. Der KNA-Hauptstadtkorrespondent Alexander Riedel hält den ursprünglich Zeitplan bis Ostern als kaum noch haltbar. Auch Streitpunkte könnten den Prozess weiter bremsen.

Autor/in:
Carsten Döpp
Friedrich Merz / © Christian Charisius (dpa)

DOMRADIO.DE: CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte angekündigt, dass bis Ostern eine neue Bundesregierung stehen sollte. Ostern ist in knapp zwei Wochen. Kann das noch klappen?

Alexander Riedel, Hauptstadt-Korrespondent bei der Katholischen Nachrichtenagentur. / © Stefan Meetschen (KNA)
Alexander Riedel, Hauptstadt-Korrespondent bei der Katholischen Nachrichtenagentur. / © Stefan Meetschen ( (Link ist extern)KNA )

Alexander Riedel (KNA-Hauptstadtbüro): In der kommenden Woche ist schon die Karwoche. Das geht jetzt schnell. Insofern ist eine neue Bundesregierung bis Ostern wohl ausgeschlossen. In dieser Woche wollen CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag abschließend verhandeln. Im Anschluss müssen die Parteien noch jeweils zustimmen. 

Bei der CSU beschließt der Parteivorstand über diese Frage. Das geht relativ schnell. Bei der CDU wird darüber auf einem kleinen Parteitag abgestimmt. Die SPD befragt aber alle Mitglieder. Das heißt, alle Parteigenossen bekommen einen Brief mit Zugangsdaten für eine Online-Abstimmung. So ein Prozess dauert einfach. Daher halte ich eine neue Regierung bis Ostern für ausgeschlossen.

Alexander Riedel

"Ich vermute, das liegt auch daran, dass die Verhandlungen zunächst nicht so vertraulich abgelaufen sind, wie sich das die Parteispitzen gewünscht hatten."

Zwischenzeitlich sah es so aus, dass Friedrich Merz am 23. April – also kurz nach Ostern – vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden könnte. Danach sieht es jetzt nicht mehr aus. Zuletzt war von einem Termin Anfang Mai zu hören, eventuell der 7. Mai. Der Termin wird es wohl eher.

DOMRADIO.DE: Warum dauern die Verhandlungen länger als gedacht?

Riedel: Ich vermute, das liegt auch daran, dass die Verhandlungen zunächst nicht so vertraulich abgelaufen sind, wie sich das die Parteispitzen gewünscht hatten. In der ersten Runde wurde auf der Ebene von Facharbeitsgruppen verhandelt. Deren Ergebnisse wurden relativ schnell an Journalisten durchgestochen, also weitergegeben.

Damit sind alle Forderungen und Positionen öffentlich. Das ist natürlich auch ein Teil der Taktik in solchen Verhandlungen. Man erhöht den Druck, aber am Ende müssen die Verhandler sich dann rechtfertigen, warum sie bestimmte Positionen nicht durchgesetzt haben.

Ein weiterer Grund für die längere Dauer könnte sein, dass Union und SPD keine strittigen Punkte ungelöst lassen wollen, weil das später Schwierigkeiten verursachen könnte. So sagte das CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor ein paar Tagen. Da klingen mit Sicherheit die Erfahrungen der Ampel an, die unter anderem daran gescheitert ist.

DOMRADIO.DE: Sind schon Namen zu hören, wer neben Merz einen Posten in der neuen Regierung bekommen könnte, so sie denn zustande kommt?

Alexander Riedel

"Wovon ich aber ausgehe, ist, dass der Anteil der Katholiken am Kabinettstisch wieder ansteigen könnte."

Riedel: Üblicherweise werden Kabinettsposten eher am Ende der Verhandlungen verteilt, wenn der Inhalt steht. Dann wird der Zuschnitt der Ministerien zwischen den Parteien geklärt und erst zum Schluss werden diese Posten verteilt. Natürlich kursieren in Berlin schon viele Namen, aber am Ende könnte es auch die eine oder andere Überraschung geben.

Die Parteien berücksichtigen bei der Besetzung der Kabinettsposten viele Interessen. Da geht es um Fragen wie die der Geschlechterverteilung, Bezüge zu Ostdeutschland, Mitglieder mit Migrationshintergrund und auch um Interessen von mächtigen Landesverbänden. Am Ende sollen die Köpfe der neuen Regierung zudem für einen Politikwechsel stehen.

Wovon ich aber ausgehe, ist, dass mit Friedrich Merz als Katholik und mit CDU und CSU als koalitionstragenden Parteien der Anteil der Katholiken am Kabinettstisch wieder ansteigen könnte.

DOMRADIO.DE: Wo liegen in den Verhandlungen denn noch die inhaltlich schwierigen Punkte? Wo hakt es noch?

Riedel: Nachdem die Ergebnisse der Arbeitsgruppen nach draußen gedrungen sind, gab es tatsächlich nicht mehr sonderlich viele Informationen. Man kann davon ausgehen, dass Migration ein strittiger Punkt ist. Da haben Union und SPD ihre Positionen in den Verhandlungen durchaus öffentlich abgesteckt.

Alexander Riedel

"Mit der Union wird das so nicht kommen. Davon ist auszugehen."

Weitere Brocken sind mit Sicherheit – trotz des Sondervermögens von 500 Milliarden Euro – die Themen Wirtschaft und Finanzen. Wo Geld herkommt und wofür es ausgeben wird, ist eine entscheidende Frage. Das prägt auch mit, wie sozial oder wirtschaftsfreundlich die Politik der künftigen Regierung sein wird. Stichworte sind etwa Bürokratie, Steuern oder auch Bürgergeld.

DOMRADIO.DE: Die SPD-Frauen hatten sich während der Verhandlungen dafür ausgesprochen, die Regeln für Schwangerschaftsabbrüche zu liberalisieren. Was ist damit?

Riedel: Die SPD wollte eine Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts schon vor der Wahl. Mit der Union wird das so nicht kommen. Davon ist auszugehen. Auch die neuen Mehrheiten im Bundestag sprechen nicht für eine Reform, sodass, selbst wenn es zu einer Gewissensentscheidung darüber im Bundestag kommen sollte, es wahrscheinlich keine Mehrheit dafür gibt.

Auf das Thema schaut die katholische Kirche besonders genau. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat sich dazu im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur geäußert und gesagt, dass SPD und Kirche sich bei dem Thema weiter uneins seien, aber auch, dass man da als Kirche mit der SPD im Gespräch bleibe. Bätzing warb dafür, den bestehenden Kompromiss mit einer verpflichtenden Beratung für die schwangeren Frauen beizubehalten, und er betonte, dass die Selbstbestimmung der Frau und der Lebensschutz für das ungeborene Kind nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Sollte es doch zu einem Gesetzgebungsverfahren bei dem Thema kommen, versicherte Bätzing, dass sich die Kirche natürlich mit ihrer Position einbringen werde.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Neuer Bundestag kommt zum ersten Mal zusammen

Der neu gewählte Bundestag kommt am Dienstag in Berlin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die am 23. Februar gewählten 630 Abgeordneten entscheiden in der ersten Sitzung über das Bundestagspräsidium. Als neue Parlamentspräsidentin wird sich die frühere Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) zur Wahl stellen. Die Präsidentin sowie ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter leiten die Plenarsitzungen des Bundestags.

Deutscher Bundestag / © Monika Skolimowska (dpa)
Quelle:
DR

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