DOMRADIO.DE: Sie machen Puppen und auch Krippenfiguren wieder fit. Sind das eher die großen Puppenfiguren für die Krippe?
Marcel Offermann (Puppenrestaurator): Ja, wobei das Spektrum tatsächlich von der kleinen Krippe von daheim auf dem Sims bis hin zu den großen für die Kirchen reicht. Um das mal in Zentimetern auszudrücken: Es geht von fünf Zentimetern bis zu 80 Zentimeter.
DOMRADIO.DE: Ist dann unterschiedliche filigrane Arbeit gefragt?
Offermann: Es ist natürlich immer maßgeblich davon abhängig, in welchem "desolaten Zustand" sich die Stücke befinden. Wenn man, was Farbe angeht, an die kleineren Figuren herangeht, muss man schon eine ruhige Hand haben. Wenn man schlecht drauf ist, lässt man es besser.
DOMRADIO.DE: Was heißt denn "desolater Zustand"? Was bekommen Sie da zum Teil?
Offermann: Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass die meisten Kirchen leider Gottes ungeheizt sind. Viele Krippenfiguren liegen dann in der Krypta irgendwo im Keller. Da ist die Luftfeuchtigkeit extrem hoch. Und wenn die nur vom ersten Advent bis Mariä Lichtmess draußen sind und den Rest der Zeit in diesem feuchten Klima liegen, dann tut das den meisten Figuren nicht wirklich gut; ungeachtet dessen, ob sie aus Holz sind oder ob sie aus klassischem Ton oder Gips sind.
Alles, was keinen normalen Abnutzungserscheinungen beim Ausstellen unterworfen ist, wird dann spätestens da noch mal verschärft.
DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie an so eine Reparatur dann ran?
Offermann: Zunächst muss man mal gucken, was sinnvoll ist. Denn nicht alles, was man machen kann, erschließt sich letzten Endes auch als sinnhaft. Man kann sich an so etwas ja mal austoben. Aber da ist eher die Maßgabe: So wenig wie möglich oder so viel wie nötig, weil man ja den Charakter der Figur jeweils nicht verändern möchte.
Natürlich könnte man jede Figur einfach neu malen oder ins Tauchbad setzen, wie es früher gemacht wurde. Aber das ist nicht zielführend. Die meisten Figuren leiden unter dem Problem, dass sie nicht mehr von alleine die Haltung bewahren können, dass sie tatsächlich nicht mehr stehen können, weil entweder die inneren Aufhängungen ausgeleiert, verschlissen, gerissen sind oder weil vielleicht schon mal Teile abgebrochen sind, die maßgeblich zur Funktion beitragen.
Das ist dann das erste, was uns auffällt. Alles was Kosmetik ist, kommt zum Schluss und da muss man sehr behutsam zu Werke gehen, weil Sie sonst eine alte Krippenfigur mit einem völlig neuen "Make up" haben, was sich natürlich nicht verträgt.
DOMRADIO.DE: Schlagzeilen machte im vergangenen Jahr die geköpfte Marienstatue aus Straubing in Bayern. Dazu haben wir auch hier gesprochen. Die haben Sie wieder hinbekommen und restauriert. Was war da genau mit der Figur passiert?
Offermann: Da hat offenbar irgendein Vandale im Zuge der ersten Corona-Welle einer Marienfigur den Kopf abgeschlagen und hat dann draußen den Kopf mit einem Mundschutz bedeckt auf den Marktplatz in Straubing gelegt. Der Mann war wohl auch geistig nicht ganz auf der Höhe, den hat man ja inzwischen gefasst. Ich glaube, das Verfahren ist auch mangels hinreichender substanzieller kognitiver Leistung eingestellt worden
Der Dombaumeister zu Regensburg hatte abgewunken und gesagt, dass die Figur sich nicht restaurieren ließe, weil sie zu beschädigt sei. Da war natürlich ein wenig mein Ehrgeiz geweckt. Und wenn man aus einem unheilbar katholischen Haushalt kommt und noch eine gewisse Verbindung zu Maria hat, dann kam das eine zum anderen.
Dann habe ich den Monsignore in Straubing angerufen und habe angeboten, dass ich ihm die Figur abhole. Das haben wir dann auch gemacht und haben die tatsächlich wieder instand gesetzt. Wobei man sagen muss, dass das jetzt um ein Vielfaches einfacher klingt, als es sich in der Realität dargestellt oder abgebildet hat.
Wir sind an der Restaurierung fast verzweifelt. Normalerweise ist das ja schon unser täglich Brot. Ich sage jetzt mal etwas frevelhaft: Köpfe sind immer die Sollbruchstellen. Also auch schon nach der spanischen Inquisition waren sie das. In dem Falle war die Maria aber leider durch einen erheblichen Feuchtigkeitsschaden durch die Kirche, in der sie stand, ohnehin so vorgeschädigt, dass wir Mühe hatten, den Kopf überhaupt erst mal von der Statik her so zum Halten zu bekommen, dass wir uns an die eben beschriebenen kosmetischen Arbeiten machen konnten.
Das ist uns dann tatsächlich nur mit der Hilfe eines sehr, sehr großen, im Süddeutschen beheimateten Unternehmens geglückt, das normalerweise im Bausektor tätig ist. Die haben uns mittels eines chemischen Dübels ein wenig unter die Arme gegriffen. Als der Kopf dann erst einmal saß, war das Gröbste getan und mittlerweile strahlt sie wieder im alten Glanz.
Sie steht auch im Moment noch bei uns im Atelier, respektive im Geschäft in Neuss und schaut schön andächtig auf die Marienkirche, die bei uns via-à-vis ist, weil der Monsignore und wir noch keinen Zeitpunkt gefunden haben, wo wir sie dann standesgemäß wieder zurückführen können.
DOMRADIO.DE: Mit welchen Problemen kann man jetzt kurz vor Weihnachten noch zu Ihnen kommen? Kriegt man auch noch Hilfe, wenn da irgendwas mit der Krippenfigur ist?
Offermann: Bedingt. Ich bin ja auch noch ein bisschen im humanmedizinischen Teil unterwegs und tätig. Da fordert die Coronalage im Moment auch ihren Tribut. Wenn Sie jetzt mit einer Krippenfigur kommen, wo eine Extremität - sprich: ein Arm, ein Bein - abgebrochen ist, kriegen wir so etwas sicherlich noch leicht hin, bevor das Jesuskind nachher nicht unter der Krippe liegt.
Oder wenn es eine einzelne Figur ist, die innere Aufhängungen braucht, dann kriegt man auch das hin. Das ist kein Problem. Aber alles weitere würde ich tatsächlich dann mit viel Verlaub ins neue Jahr schieben wollen.
Das Interview führte Carsten Döpp.