DOMRADIO.DE: Sie sind selber begeisterter Pilger, haben schon rund 5.000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt und haben auch den Anstoß zu dieser Stempelstation dort gegeben, richtig?
Jörg Steinert (Jakobsweg-Beauftragter für Berlin): Genauso ist es. Mich hat das Fieber gepackt. Denn wo beginnt der Jakobsweg? Nicht irgendwo an der spanischen Grenze, sondern häufig vor der eigenen Haustür, in dem Fall auch hier in Berlin. Und deswegen ist das eine schöne Sache, dass wir jetzt auch eine Stempelstation bekommen.
DOMRADIO.DE: Nur ist diese Stempelstation eigentlich schon längst überfällig?
Steinert: Auf jeden Fall. Also gerade die Deutschen gehören mit zu den Pilgern, die sehr stark auf dem Jakobsweg vertreten sind. In Süddeutschland ist es sehr verbreitet, dass man auch vor der eigenen Haustür losläuft. In Berlin war bis jetzt nichts zu sehen, keine Pilgermuschel, keine Stempelsstation. Und das wollen wir jetzt ändern.
DOMRADIO.DE: Was braucht es denn für so eine Stempelstation? Welche Hürden mussten da erst genommen werden, bis diese Station eingerichtet werden konnte?
Steinert: Es bedarf erstmal eines ausgeschilderten Weges, dass man weiß, wo man langläuft. Da habe ich im vergangenen Jahr verschiedene Parteien angeschrieben, und auf einmal gab es in einem Bezirksparlament einen einstimmigen Beschluss, also große Begeisterung. Jetzt haben wir überlegt, wie wir an diesem Weg verschiedene interessante Punkte schaffen können, wo man innehalten kann, aber auch, wo man seinen Weg dokumentieren kann. Da gehört natürlich eine Stempelsstation dazu.
Es ist eine Kirche, die direkt am Weg liegt. Die evangelische Kirche hat gesagt: Wir können es nicht durch Personen gewährleisten, dass immer jemand ansprechbar ist. Aber da wird es einen Kasten geben und man kann sich selbst einen Stempel in den Pass reinsetzen. Und so gibt es heute die erste Stempelstation.
DOMRADIO.DE: Wie sieht der Pilgerstempel aus?
Steinert: Man kann die Gedächtniskirche als Motiv auf dem Stempel sehen, aber natürlich auch die Pilgermuschel. Das ist nun mal ein europaweites Symbol für den Jakobsweg, und deswegen ist auch sehr schön, dass extra ein Stempel für diesen Standort geschaffen wurde. Denn man kennt das aus Spanien und Frankreich, da werden dann einfach die Stempel genommen, die es gerade im Restaurant gibt. Hier wurde ganz liebevoll ein Extra-Stempel erstellt.
DOMRADIO.DE: Sprechen wir mal über diesen Pilgerhype. Sie nennen das ja auch "Pilgerwahnsinn", haben darüber auch ein Buch geschrieben. Was am Pilgern macht so süchtig?
Steinert: Pilgern ist mehr als Wandern. Ich bewege mich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Im hektischen Alltag ist das ein schöner Gegenentwurf, wo man einfach mal zu sich kommt. Manche suchen Gott, manche suchen sich selbst, und manche wollen wieder einfach ein Abenteuer erleben.
Das war der Jakobsweg schon immer, und das wird jetzt einfach noch mal sichtbar und deutlich, dass die Menschen einfach aus dem Alltag ausbrechen wollen. Ich habe das ganze "Pilgerwahnsinn" genannt und bin danach süchtig geworden. So ist jetzt beim Patmos Verlag auch ein Buch dazu entstanden.
DOMRADIO.DE: In Deutschland gibt es ja ein ganzes Wegenetz. Glauben Sie, andere Städte ziehen da jetzt noch nach, wenn die Hauptstadt schon ihr eigenes Pilgerhäuschen hat, wo man sich den Stempel abholen kann? Passiert da noch was mit Beschilderung und weiteren Stationen?
Steinert: Ja, aber es ist eher so, dass wir in Berlin nicht mehr die Speerspitze sind, sondern wir holen etwas nach, was in anderen Regionen schon üblich ist. Es gibt in anderen Regionen schon Pilgerherbergen, es gibt einen gut ausgeschilderten Weg. Es gibt Stempelsstation, und in Berlin gab es bisher gar nichts. Da holen wir jetzt eher auf und versuchen da den Anschluss zu finden, sodass man auch durch ganz Deutschland schön pilgern kann.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja wahrer Pilgerexperte. Welche Route durch Deutschland würden Sie denn empfehlen? Haben Sie da einen Tipp parat?
Steinert: Ja, ich werde selbst jetzt morgen sogar am Brandenburger Tor starten und bin ganz gespannt, wie es laufen wird. Ich laufe die sogenannte via imperii durch Berlin, durch Brandenburg, Sachsen-Anhalt. Wir kommen unter anderem durch Leipzig, durch Nürnberg. Und dann geht es Richtung Konstanz, nach Baden-Württemberg. Ich möchte dann in einem Monat ankommen. Mal schauen, wie gut es läuft.