Die Ankunft von Geflüchteten aus der Ukraine ist nach Worten der Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) nicht mit der Flüchtlingslage im Jahr 2015 zu vergleichen. "Damals kamen hier 1.000 Menschen täglich an - mit Vorlaufzeit. Diesmal kamen wochenlang 10.000 täglich an und das ohne Vorlaufzeit", sagte sie der "Welt". Auch sei die Zusammensetzung der Gruppen eine andere; es kämen viele "Frauen, Kinder, Alte und Gebrechliche, ganze Waisenhäuser und Behindertenheime. Damit gehen auch andere Bedürfnisse einher".
Momentan sei die wichtigste Frage, "wie wir im Notfall Kapazitäten erhöhen können", fügte Kipping hinzu. "Am Anfang war der Hauptbahnhof das Nadelöhr, dann das Ankunftszentrum. Der nächste Rückstau entsteht nun vor den bezirklichen Sozialämtern." In solchen Fällen gelte es nachzusteuern. In der derzeitigen Lage könne sich niemand "wegducken", mahnte die Politikerin: Wenn Prognosen einträfen, nach denen bis zu zehn Millionen Menschen die Ukraine verlassen könnten, werde es eine europaweite Verteilung brauchen.
Belastung armer Nachbarländer
Dies sei auch nötig, um den Druck auf Nachbarländer der Ukraine zu mindern, erklärte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller. Demnach sind bereits rund 360.000 Ukrainer in dieses Nachbarland geflohen, das selbst etwa 2,6 Millionen Einwohner zählt. Die Hilfsbereitschaft sei groß, doch Moldau zähle zu den ärmsten Ländern Europas. Die Caritas stellte nach eigenen Angaben eine Million Euro zusätzlich für die Republik südwestlich der Ukraine bereit.
Auch die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, pochte auf eine zügige bundes- und europaweite Verteilung. "Geflüchtete brauchen nach ihrer Ankunft Klarheit, die es noch nicht ausreichend gibt", sagte sie in Hannover.
Die Hauptverkehrspunkte, an denen die Menschen ankommen, seien überlastet. Die Bundesregierung und die EU müssten alles dafür tun, Ordnung in die Verteilung zu bringen und dabei die Interessen der Schutzsuchenden berücksichtigen. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick betonte, die christliche Kultur der Barmherzigkeit und Nächstenliebe werde derzeit bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge spürbar.
Mehr Schutz vor Menschenhandel
Unterdessen forderte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Einrichtung von "Schutzzonen" in Bahnhöfen zum Schutz von Geflüchteten vor Menschenhändlern und Sexualstraftätern. Die Bundespolizei habe inzwischen festgestellt, dass Kriminelle gezielt auf junge Frauen und Kinder zugingen, bevor die Beamten in Kontakt mit den Flüchtlingen kämen, sagte der für die Bundespolizei zuständige GdP-Vorsitzende Andreas Roßkopf der "Rheinischen Post".
Die Bundespolizei kündigte ein verstärktes Vorgehen dagegen an; dafür wolle man auch mit der Deutschen Bahn zusammenarbeiten.
Amnesty International warnte vor unzureichendem Schutz für Geflüchtete. Eine Untersuchung der Lage insbesondere in Polen habe ergeben, die Situation sei "chaotisch und gefährlich für vulnerable Gruppen wie Frauen, Kinder und Minderjährige, die alleine unterwegs sind". Hinzu kämen zahlreiche Berichte über rassistisches Verhalten gegenüber Geflüchteten.