DOMRADIO.DE: Wer hat die Weihnachtskrippe erfunden?
Ulrich Nersinger (Vatikan-Kenner und Journalist): Wir können als Erfinder der Krippe einen bekannten und großen Heiligen der katholischen Kirche ausmachen, den Heiligen Franz von Assisi. Er ist im Grunde der Begründer unserer Krippentradition.
DOMRADIO.DE: Wann war das?
Nersinger: Das war im Jahre 1223, also am Weihnachtsfest dieses Jahres, in Greccio, einem kleinen Ort in Mittelitalien.
DOMRADIO.DE: Wie sahen denn die Krippen anfangs aus?
Nersinger: Es gab keine Krippe, so wie wir das heute kennen, sondern der Heilige Franz hat eine lebendige Krippe geschaffen. Er hat praktisch die Weihnachtsgeschichte genutzt, um sie darzustellen - also mit Personen, die er ausgesucht hatte. Er hat so praktisch eine kleine Krippenkatechese gemacht.
Später ist eben aus dieser Katechese dann unsere heutige Krippe geworden, mit Holzfiguren und auch Figuren aus anderen Materialien.
DOMRADIO.DE: Was für besondere Krippen gab und gibt es denn im Vatikan?
Nersinger: Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Krippen. Praktisch jede Institution oder jede größere Gemeinschaft hat eine Krippe. Die sind natürlich ganz unterschiedlich gestaltet. Manche sind einfach und traditionell.
Sie haben nicht viel mehr als das, was wir kennen. Andere haben ihre eigene Berufsgruppe oder ihren Orden in die Krippe integriert.
Ich kenne eine Krippe der Gendarmen, da sieht man Figuren, die Gendarmen in ihrer heutigen Uniform an der Krippe zeigen.
Dann gibt es Ordensgemeinschaften, wo die betreffenden Personen, die um die Krippe herumstehen, das Ordensgewand tragen.
Es gibt natürlich auch Krippen im Vatikan, die man nicht besuchen kann. Das ist sehr schade. Man würde eine ungeheure Vielfalt sehen, aber es gibt immerhin andere Möglichkeiten, im Vatikan oder in Vatikannähe Krippen kennenzulernen.
DOMRADIO.DE: Die Römer gelten als "Krippenverrückte". Welches sind denn ganz besondere Krippen?
Nersinger: Ich glaube, eine der berühmtesten Krippen, die in sehr engem Verhältnis zum Vatikan steht, ist die Krippe der Straßenkehrer, der Müllmänner in Rom. Die befindet sich ganz in der Nähe des Vatikans. Sie hat auch immer die Aufmerksamkeit der Päpste bekommen. Ich glaube, dass Paul VI. der erste war, der diese Krippe besucht hat. Dann haben auch seine Nachfolger - die meisten zumindest - diese Krippe besucht.
Dann gibt es Krippen in Kirchen, die das vatikanische Milieu beleuchten. Zum Beispiel in der Kirche Santissima Trinita dei Pelegrini in Rom kann man Figuren aus dem päpstlichen Haus sehen. Man versucht, das sehr lebendig zu gestalten.
Und dann hat man natürlich auch jedes Jahr eine Krippenausstellung im Vatikan oder in dessen Nähe - manchmal innerhalb der Kolonnaden von Sankt Peter, manchmal in einem Gebäude, das dem Vatikan gehört und an der Via della Conciliazione liegt. Da macht man sehr viel Werbung für die Krippen. Man kann natürlich, je mehr man in die Stadt hineingeht, in jeder Kirche, auch in vielen Institutionen, in vielen Ordenshäusern, in religiösen Häusern Krippen bewundern.
Es empfiehlt sich wirklich, so einen Krippengang durch die "Ewige Stadt" zu unternehmen.
DOMRADIO.DE: Wie hält es Papst Franziskus mit den Krippen? Ist er ein Krippenfan?
Nersinger: Ja, das sieht man zum Beispiel, wenn die Krippe in der Audienzhalle aufgestellt ist. Dann bleibt er sehr lange vor dieser Krippe stehen, oder heute sitzt er ja eher.
Davon ist er doch sehr angetan und sieht das auch so wie der Heilige Franz selber als ein Mittel der der Katechese.
Man sollte auch bedenken, dass Franziskus ja mal in Greccio war, also in diesem Ort des Heiligen Franz von Assisi. Dort hat er sogar ein eigenes Apostolisches Schreiben über die Verehrung und über den Sinn von Krippen unterschrieben. Das zeigt doch die sehr enge Nähe des Papstes zu allem, was Krippen betrifft.
Das Interview führte Carsten Döpp.