DOMRADIO.DE: Es ist der erste Rosenmontag nach dem Terroranschlag auf das Stadtfest im vergangenen Sommer. Wie fühlt es sich für Sie an, heute mit tausenden Menschen in Solingen zu feiern?

Pfarrer Michael Mohr (Stadtdechant in Solingen): Gemischt, anders kann man es nicht sagen. Die Menschen wollen wieder feiern und zur Normalität zurückkehren. Doch seit dem Attentat und den weiteren Anschlägen bleibt die Stimmung vorsichtig, immer mit einem wachsamen Blick. Nicht umsonst hat die Stadt die Sicherheitsmaßnahmen – insbesondere für den Zug – noch einmal deutlich verschärft.
DOMRADIO.DE: Für viele Menschen in Solingen sind große Veranstaltungen mit viel Trubel nach den Erlebnissen des Sommers noch immer nicht die Orte, an denen sie sich wohlfühlen. Wie erleben Sie die Solingerinnen und Solinger in dieser Zeit?
Mohr: Man merkt einen Unterschied zwischen den Altersgruppen. Jüngere Menschen haben meist wieder Lust zu feiern und lassen sich das Feiern nicht nehmen. Ältere hingegen sind oft zurückhaltender, bleiben lieber zu Hause und meiden das Gedränge. Eine klare Trennung gibt es nicht, aber diese Tendenz ist deutlich spürbar.
DOMRADIO.DE: Haben Sie eine gute Strategie, um den Menschen ihre nachvollziehbare Angst zu nehmen?
Mohr: Ich halte es da mit Innenminister Herbert Reul, der inmitten der aktuellen Drohungen dazu ermutigt hat, weiterhin zu feiern. Ich vertraue darauf, dass die Behörden alles tun, was möglich ist. Natürlich gibt es nie eine hundertprozentige Sicherheit, das ist uns allen bewusst. Deshalb gilt: Wer sich danach fühlt, sollte rausgehen, feiern und Spaß haben. Aber wenn die Bedenken zu groß sind, sollte man sich nicht zwingen. Dann ist es völlig in Ordnung, das Fest zu Hause zu genießen oder vom Fenster aus zuzusehen.
DOMRADIO.DE: Aber für fünf, sechs Tage das Traurige und Schlimme hinter sich lassen, mit Freunden feiern und einfach Spaß haben – das kann uns doch allen guttun, oder?
Mohr: Total! Jeder, der unbeschwert feiern kann, sollte das unbedingt tun. Aber niemand sollte sich dazu gezwungen fühlen. Für manche sind die Erinnerungen noch zu präsent und sie können nicht einfach für fünf, sechs Tage loslassen und das ist völlig in Ordnung.

DOMRADIO.DE: Das Thema Sicherheit ist nach den Anschlägen in Magdeburg, Aschaffenburg und München sehr präsent geblieben. Wie hat sich Solingen mit diesem Thema beschäftigt? Das grüne Licht für den Rosenmontagszug wurde erst sehr kurzfristig gegeben.
Mohr: Das stimmt. Die Überlegungen und die Konzepte gibt es natürlich, das ist klar. Das muss auch so sein. Wenn der Zug sofort durchgewunken worden wäre und die Diskussion über die Sicherheit nicht stattgefunden hätte, wäre das ängstliche Gefühl bei viel mehr Menschen vorhanden. Aber so kann man durchaus sagen, dass alles, was möglich war, auch umgesetzt wurde. Es wurde wirklich darüber nachgedacht, wie man es so sicher wie möglich gestalten kann, und das beruhigt ja auch ein Stück weit.
DOMRADIO.DE: Wie präsent ist die Kirche im Zug?
Mohr: Tatsächlich zieht die Kirche nicht ganz mit. Aber man muss auch sagen – die Solinger mögen mir verzeihen – der Karneval ist hier eher ein kleiner Ausflug. Dennoch ist die Kirche aktiv dabei. Es gibt hier durchaus Pfarrkarneval und auch die eine oder andere Sitzung des KFD oder vom Pfarrkarneval ist legendär. Das lässt sich nicht anders sagen.
Das Interview führte Carsten Döpp.