Stadtdechant Kleine übt Kritik an Karnevalswagen zu Missbrauch

"Er ist für mich nicht gelungen"

Ein Karnevalswagen aus dem Kölner Rosenmontagsumzug sorgt schon vorab für eine heftige Diskussion. Im Interview äußert Stadtdechant Robert Kleine Kritik. Er bezeichnet den Motivwagen als missverständlich.

Autor/in:
Johannes Schröer
 © Alexander Foxius (DR)
© Alexander Foxius ( DR )

DOMRADIO.DE: Aus dem Beichtstuhl ragt der Arm eines Priesters. Mit gekrümmtem Zeigefinger lockt der Priester einen Messdiener zu sich in den Beichtstuhl. Was haben Sie gedacht als Sie den Entwurf dieses Karnevalswagens gesehen haben? 

Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti (DR)
Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Msgr. Robert Kleine (Kölner Stadt- und Domdechant): Ich habe mich gefragt, ob dieses Motiv wirklich sein muss. Dann habe ich mir diesen Entwurf näher angeschaut. Er ist nicht eindeutig. Es gibt Dinge, die ich nicht direkt verstehe. Die werden die Leute am Rand in der Kürze des Vorbeifahrens vielleicht auch nicht verstehen können. Deshalb halte ich ihn nicht für gelungen. 

DOMRADIO.DE: Kritik erregt der auf dem Wagen verwendete Ausspruch: "Jesus liebt dich". Es ist aber doch nicht der Karikaturist, der das Zitat blasphemisch verwendet, sondern der Priester, der das Sakrament der Beichte damit ad absurdum führt. 

Kleine: Da haben Sie recht. Und Missbrauch ist ganz klar ein Verbrechen. Die Geistlichen, die es getan haben, sind Verbrecher. Es geht um die Täter, die die Botschaft Jesu verraten. Aber das wird auf dem Wagen nicht deutlich.  

Ich habe eine ganze Menge Menschen auch aus meinem Bekanntenkreis gefragt. Die haben es eben nicht so verstanden, dass dies der Gedanke oder der Spruch dessen ist, der im Beichtstuhl sitzt. Vielmehr verstehen sie, dass eine Kernaussage des christlichen Glaubens jetzt direkt mit dem Missbrauch in Verbindung gebracht wird. Das ist sicherlich von den Wagenbauern nicht beabsichtigt, aber es wird so verstanden.

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Diskussion um Kölner Mottowagen zu sexualisierter Gewalt

DOMRADIO.DE: Hätte man bei dieser Kontroverse nicht das Gespräch mit dem Präsidenten des Festkomitees suchen können?

Kleine: Genau das ist erfolgt. Ich habe mein Unverständnis und meinen Ärger darüber bekundet. Aber natürlich beruft man sich auf die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst. Und natürlich kann und will ich auch nicht etwas verbieten, ich kann nur etwas empfehlen.

Stadtdechant Monsignore Robert Kleine

"Ich kann nichts verbieten, ich kann nur etwas empfehlen."

Meine Empfehlung ist, diesen Spruch wegzunehmen oder anders zu verorten, sodass klar wird, dass Missbrauch ohne jede Frage abscheulich ist. Und wir müssen als Kirche auch dazu stehen, dass dieser Missbrauch im Namen der Kirche geschehen ist.

Aber die Botschaft "Jesus liebt dich" steht für die Frohe Botschaft des Christentums, die Bestand hat und die auch trotz dieser Verbrechen bleibt. Das muss man trennen. Deshalb plädiere ich sehr dafür, dass man den Wagen noch einmal überdenkt und in dieser Hinsicht ändert. Ob man es tut, liegt nicht in meiner Hand.

DOMRADIO.DE: Auch im vergangenen Jahr gab es Karnevalswagen, die sehr kritisch mit der Kirche umgegangen sind. Erinnert sei an den Wagen, auf dem ein Bischof in einer Hängematte lag, anstatt sich aktiv gegen Missbrauch zu engagieren. Wo sind die Grenzen? Was geht und was geht nicht? 

Kleine: Ganz klar ist, dass der Karneval seit Anbeginn den Finger in die Wunde legt. Und der Rosenmontagszug muss den Finger auch in die Wunde des Missbrauchs legen und hat es ja auch schon getan. Der Wagen kommt für mich grundsätzlich zehn oder fünf Jahre zu spät. Er wäre ein passender Wagen gewesen, als diese furchtbaren Verbrechen aus der Vergangenheit publik wurden.

Stadtdechant Monsignore Robert Kleine

"Jetzt sind wir doch schon seit Jahren in der Aufklärung und Aufarbeitung."

Jetzt sind wir doch schon seit Jahren in der Aufklärung und Aufarbeitung. Vor allem haben wir im Bereich Prävention und Intervention gerade in unserem Erzbistum so viel investiert und auch an Schutzmechanismen eingeführt, dass ich wirklich hoffe, dass Missbrauch nicht mehr in der Weise möglich ist. 

Vor dem Kölner Dom steht ein Motivwagen, der "Hängemattenbischof" von Jacques Tilly, mit der schlafenden Figur eines Bischofs in einer Hängematte, die von zwei sich biegenden Kreuzen getragen wird, mit der Aufschrift "11 Jahre schonungslose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle!" am 17. März 2021 in Köln / © Harald Oppitz (KNA)
Vor dem Kölner Dom steht ein Motivwagen, der "Hängemattenbischof" von Jacques Tilly, mit der schlafenden Figur eines Bischofs in einer Hängematte, die von zwei sich biegenden Kreuzen getragen wird, mit der Aufschrift "11 Jahre schonungslose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle!" am 17. März 2021 in Köln / © Harald Oppitz ( (Link ist extern)KNA )

Nun heißt es seitens des Festkomitees, dieser Wagen werde beim Umzug unter der Kategorie "Internationales" fahren, weil es Missbrauch überall in der Welt gebe. Aber diese Begründung versteht doch kein Mensch. Dieser Wagen wird von den Zuschauern auf die katholische Kirche im Erzbistum und in unserer Stadt bezogen werden und nicht auf andere Länder. 

DOMRADIO.DE: Nun stecken sie in einem Dilemma. Die Wagen des Rosenmontagszuges werden traditionell immer am Dienstag vor Rosenmontag gesegnet. Was werden sie tun? Werden Sie den Wagen segnen, auf dem der Beichtstuhl steht? 

Kleine: Dieser Akt wird immer "Wagensegnung" genannt. Es ist das Richtfest der Wagen des Rosenmontagszuges. Damit ist sozusagen der Startschuss in der Vorfreude auf den Festzug gegeben. 

Bei dem Segen stehe ich meistens auf einem Wagen und nach dem Segensgebet besprenge ich  die Menschen, die davor stehen, das Dreigestirn und die Vertreter der Gesellschaften. Denn der Segen gilt natürlich den Fahrern der Wagen und den Menschen, die auf den Wagen stehen. Dieser Segen gilt den Menschen die am Rand des Zuges stehen und besonders den Wagen-Engeln, die die Wagen begleiten, damit kein Unfall passiert. 

Stadtdechant Monsignore Robert Kleine

"Die Wagen zu segnen heißt also nicht, dass ich jeden Wagen und jedes Motiv für gelungen halte." 

Denen gilt der Segen und nicht einzelnen Motiven. Die Wagen zu segnen heißt also nicht, dass ich jeden Wagen und jedes Motiv für gelungen halte. In diesem Jahr finde ich einen ja explizit nicht gelungen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie Verständnis für Leute, die wenig Verständnis für diese Abwehrhaltung der Kirche haben?

Kleine: Die Frage ist ja, wie weit Kritik gehen kann? Ich glaube, dass Menschen in der Kirche das aushalten müssen, genauso wie Menschen in der Politik oder in der Kultur. Da ist ganz klar. Da kann man auch schon mal klare Kante zeigen und da darf es auch schon mal polemisch sein.

Noch einmal: Ganz klar ist, man kann und muss den geschehenen Missbrauch in der Kirche benennen, man kann auch durch Darstellungen provozieren. 

Aber wo ist da die Grenze zwischen Satire und Beleidigung? Da können die Ansichten und Geschmäcker unterschiedlich sein. Schwierig ist es, wenn man den Glauben verspottet oder lächerlich macht. Noch einmal: Einige Reaktionen auf den Wagen zeigen, dass man denkt, hier sei Jesus selber mit seiner Botschaft angegriffen.  

Stadtdechant Monsignore Robert Kleine

"Ich glaube, dass durch diesen Wagen viel vermischt wird. Deshalb ist er für mich nicht gelungen."

Ich glaube nicht, dass die Wagenbauer dies so gemeint haben. Aber so etwas sollte man verhindern. Menschen kann und soll man durch den Kakao ziehen. Auch Gläubige aller Religionen. Aber dem, was ihnen heilig ist, also ihren Gott selber, sollte man meiner Meinung nach immer auch mit Respekt begegnen. 

Das Interview führte Johannes Schröer.

Ansprache von Stadtdechant Msgr. Robert Kleine im Segensgottesdienst beim Richtfest für den Rosenmontagszug

Erlauben Sie mir eine kurze persönliche Vorbemerkung. Seit ich als Stadtdechant in gutem ökumenischen Miteinander immer am Dienstag vor Karneval hier beim Richtfest diesen kurzen Segensgottesdienst mitgestalte, habe ich immer betont, was Segen und Segnen bedeutet.

Im Lateinischen heißt "segnen" "benedicere"  – übersetzt "Gutes sagen", "jemandem etwas Gutes zusprechen". Und Gott spricht uns Menschen Gutes zu.

Und deshalb sprechen wir zwar davon, dass Orgeln, Wohnungen oder Wagen gesegnet werden, aber es geht immer um die Menschen.

Dom- und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti (DR)
Dom- und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR

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