DOMRADIO.DE: Wir alle sind aufgefordert Strom zu sparen und weniger Auto zu fahren. Das alles wird aber nicht reichen, um über den Winter zu kommen. Deswegen wird Deutschland doch wieder auf klimaschädliche Kohle und Atomenergie setzen. Das Fracking kommt wieder in die Diskussion. Wie gehen Sie mit dieser rückschrittlichen Entwicklung um?
Weihbischof Rolf Lohmann (in der Bischofskonferenz zuständig für Umweltfragen): Das ist schon sehr schwierig. Dieser Krieg Russlands gegen die Ukraine und seine Auswirkungen bringen uns an vielen Stellen in Dilemma-Situationen. Zuerst denkt man da vielleicht eher an Themen wie den Umgang mit Waffenlieferungen. Da stellen sich Fragen, die aus christlicher Sicht nicht leicht zu beantworten sind. Aber auch im Bereich der Energiepolitik kommen grundlegende Fragen wieder aufs Parkett, die uns bereits beantwortet schienen. Ich meine da zum Beispiel eine Renaissance der Kohle oder die Diskussionen über Kernkraft und Fracking. Es rächt sich anscheinend, dass wir uns zu sehr auf die Verfügbarkeit billiger fossiler Energie aus dem Ausland verlassen haben. Und jetzt bekommen wir die Rechnung präsentiert.
Mir sind in der aktuellen Situation drei Botschaften wichtig: Einmal sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um die erneuerbaren Energien schneller auszubauen. Nur so können wir langfristig dem Klimawandel Einhalt gebieten. Dann begrüße ich hier sehr, dass wir nun auch über das Energiesparen sprechen.
Das steht im Einklang mit christlichen Motiven von Suffizienz und Maßhalten, also auch mit einer "Ethik des Genug" und nicht das: immer mehr, immer größer, besser, schneller. Und dann braucht es eben auch den sozialen Ausgleich. Die Ärmeren und Schwächeren in unserem Land benötigen natürlich jetzt Unterstützung, denn sie werden ja von den hohen Energie- und Lebensmittelpreisen sonst völlig überfordert.
DOMRADIO.DE: Die Schöpfung muss jetzt angesichts des Krieges zurückstecken. Müssen wir nun einfach damit zurechtkommen?
Lohmann: Das sind schwierige politische Abwägungen und ich muss sagen, ich würde ungern mit dem Wirtschafts- und Klimaschutz-Minister tauschen. Man kann es schon verstehen, wenn die Bundesregierung alle Anstrengungen unternimmt, sich im kommenden Winter nicht von Russland politisch erpressbar zu machen. Da stehen schließlich auch zentrale Werte und Prinzipien auf dem Spiel, wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie.
Ich bin sicher, die Bundesregierung wird sich diese Entscheidung nicht leicht machen. Klar ist: Wir müssen uns weiterhin bewusst sein, dass mittel- und langfristig der Kampf gegen den Klimawandel eine Menschheitsaufgabe ist, an der wir auf keinen Fall vorbeikommen.
DOMRADIO.DE: Die Kirche besitzt viele Immobilien. Was tut sich da in punkto Umweltbewusstsein?
Lohmann: Ich sehe schon, dass das Bewusstsein wirklich steigt, denn wir arbeiten daran – in der Bischofskonferenz, aber auch in den Diözesen und auch in vielen Gemeinden und anderen Gruppierungen. Die Bischofskonferenz hat ja zehn Handlungsempfehlungen veröffentlicht, wie auf breiter Front das Umweltbewusstsein und auch das Schöpfungsengagement gesteigert werden können: im Verwaltungshandeln, aber auch durch die Sensibilisierung in der Liturgie, in der Bildungsarbeit, in weltkirchlichen Kontexten.
Und ganz praktisch auch: Wie ist das bei eigenen Gebäuden, wie ist das mit der eigenen Mobilität? Da wird es auch schon konkret. Ich bin wirklich überzeugt, dass auch wir als Kirche unseren Beitrag zum Energiesparen leisten können. Und ich empfehle das mit Nachdruck – nicht alleine aus Kostengründen, sondern aus der tiefen Überzeugung, dass es richtig ist.
DOMRADIO.DE: Müssen wir im Winter frieren, wenn die Kirche nicht mehr geheizt wird?
Lohmann: Da kommt man ganz schnell auch an Details des Denkmalschutzes. Da geht es um die richtige Temperatur, um Feuchtigkeit. Aber ich muss auch sagen, ich halte es für zumutbar, sich im Winter in der Kirche etwas wärmer anzuziehen. Wenn ich manchmal an süddeutsche Kontexte denke, da sind auch jetzt schon die Kirchen oft gar nicht geheizt, aus anderen Gründen. Das ist heute schon gelebte Praxis. Ich glaube, eine gewisse Umstellung werden wir brauchen, und wir müssen als Kirche auch mit vorangehen.
DOMRADIO.DE: Die Umweltminister der EU haben in der Nacht beschlossen, dass Neuwagen ab 2035 klimaneutral sein sollen. Verbrennungsmotoren wird es also weiter geben. Sind Sie mit diesem Beschluss so zufrieden wie unser Wirtschaftsminister Habeck?
Lohmann: Auf jeden Fall. Ich finde es gut, dass es ein richtiger Weg. Das ist auch vernünftig, dass das jetzt so verhandelt worden ist und dass wir da vorankommen. Ich begrüße das sehr.
Das Interview führte Tobias Fricke.