Vatikanexperte skizziert die Geschichte der Petersdom-Beleuchtung

"Ein schwieriges Unterfangen"

Die Kuppel des Petersdoms bekommt eine neue Hightech-Beleuchtung. Vatikanexperte Ulrich Nersinger erklärt, warum diese im Vergleich zur historischen Illumination, die Berühmtheiten wie Goethe begeisterte, ein "billiger Abklatsch" ist.

Petersdom mit Kuppel in der Nacht / © MikeA08 (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Für die Kuppel des Petersdoms soll es künftig nachts eine Hightech-Beleuchtung geben. Wie könnte die aussehen?

Vatikanexperte und Buchautor Ulrich Nersinger. (EWTN)

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Noch kann niemand genau sagen, welcher Eindruck entstehen wird, aber ich denke, das wird schon imposant sein. 

Wenn man allerdings die alten Bilder und Gemälde kennt, auch die Filme von der klassischen Beleuchtung, die wir seit über einem halben Jahrhundert nicht mehr haben, dann wird so mancher sagen: Das ist ein billiger Abklatsch.

DOMRADIO.DE: Schon im 17. Jahrhundert wurde die Kuppel des Petersdoms sehr aufwendig beleuchtet. Damals konnte man aber nicht einfach so das Licht anknipsen.

Nersinger: Manchmal waren das schon Monate, die vorher geplant werden mussten. Die direkten Vorbereitungen dauerten Wochen. Das war ein unglaubliches Unterfangen, das den Einsatz aller Kräfte im Vatikan erforderte. Man muss bedenken: Es wurden 4.300 Laternen benötigt, 832 Fackeln mussten angezündet werden. Das ganze Material musste zur Kuppel oder zur Fassade hinaufgeschafft werden. Und es musste von besonderen Leuten installiert werden.

DOMRADIO.DE: Sampietrini, wurden die Handwerker genannt, die sich mit der Beleuchtung beschäftigten. Was waren das für Leute?

Ulrich Nersinger

"Es waren auch Leute mit einer uralten Tradition."

Nersinger: Das waren die Arbeiter der Dombauhütte von Sankt Peter. Das war ein sehr besonderer Arbeiterstand, der berühmt war. Diese Leute mussten in der ganzen Basilika arbeiten, sich in allen Höhen bewegen - mit den damaligen Mitteln war das oft ein sehr schwieriges Unterfangen. Es waren auch Leute mit einer uralten Tradition. Dieser Job wurde meistens vom Vater an den Sohn vererbt, sodass man die ganze Erfahrung der Vorgänger hatte und anwenden konnte.

DOMRADIO.DE: 360 dieser Handwerker waren erst mal nur für die Vorbereitung nötig, um irgendwann dann mal das Licht anzuzünden. Was musste konkret gemacht werden?

Nersinger: Erstmal wurden Fackeln, Pfannen und Laternen installiert, dann wurden sie mit Zündschnuren angezündet. Dafür hatte man einen ausgeklügelten Plan, der geheim gehalten wurde. An besonders schwierigen Stellen gab es zum Beispiel eine berühmte Vorrichtung, den "Cavallo" (deutsch: Pferd), ein Brett mit Seilen an beiden Seiten. Da setzte sich ein Sampietrino drauf und andere ließen ihn an der Kuppel hinunter. Er musste sich dann zu den Laternen und Fackeln schwingen, um sie mit Brennmaterial zu füllen. Das war kein ungefährliches Unterfangen. Für die Fackeln brauchte man 13 Doppelzentner Talg.

DOMRADIO.DE: Das waren bestimmt Ereignisse, die unglaublich viele Menschen angezogen haben, oder?

Nersinger: Die Reiseberichte berühmter Schriftsteller des 19. Jahrhunderts zeigen: Fast alle waren zu diesen Anlässen in Rom. Eine Unterkunft nahe dem Vatikan zu finden war schwierig, weil die ausgebucht waren. Es gibt berührende Beschreibungen von Goethe, Charles Dickens, Lord Byron, Mark Twain und Balzac, die alle da waren. 

Besonders beeindruckend war, dass die Illumination der Kuppel und Fassade in nur zehn Sekunden geschah – für damalige Verhältnisse unglaublich.

DOMRADIO.DE: Das war sicherlich nicht ganz billig, oder?

Nersinger: Deswegen gab es diese Beleuchtung in der Regel nur zwei Mal im Jahr - zu Ostern und zu Sankt Peter und Paul. An Ostern musste man immer auf die Witterung achten. Da konnte man nicht so ohne weiteres Fackeln nehmen, sondern nur mit Laternen arbeiten. Mit der Zeit kamen auch außergewöhnliche Ereignisse hinzu wie eine Papstkrönung, besondere religiöse Feste oder etwa die Verkündigung eines Dogmas oder zu einem Heiligen Jahr.

Petersdom in Rom mit aktueller elektrischer Beleuchtung / © Preto Perola (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wann hat man dann auf elektrische Beleuchtung umgestellt?

Ulrich Nersinger

"Es gibt eine ganze Reihe religiöser Gründe, die da mitgespielt haben."

Nersinger: Bereits um 1900. Die traditionelle Beleuchtung blieb jedoch bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich glaube, zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde der Petersdom das letzte Mal mit Fackeln und Laternen beleuchtet. Seitdem vertraut man der elektrischen Beleuchtung. I

m Jahr 2000 gab es eine besondere elektrische Illumination. Diese Inszenierungen sind auch ganz toll. Ein Sampietrino hat mir mal gesagt: “Mein Vater und Großvater sagen, das ist zwar schön, aber absolut nichts im Vergleich zu früher." 

DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche ist ja generell eine Meisterin der Inszenierung. Findet sich da auch ein spirituelles oder religiöses Motiv in der Illumination der Peterskuppel?

Nersinger: Da gibt es eine ganze Reihe von Aspekten, zum Beispiel die Erhabenheit und Schönheit der kirchlichen Feiern und der Liturgie. Der Glaube soll da ja aufgezeigt werden. Es gibt eine ganze Reihe religiöser Gründe, die da mitgespielt haben.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Petersdom

Eingang des Petersdomes im Vatikan. Im Vordergrund ein Teil des Obelisken auf dem Vorplatz. (Aufgenommen am 17.07.2022) / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Eingang des Petersdomes im Vatikan. Im Vordergrund ein Teil des Obelisken auf dem Vorplatz. (Aufgenommen am 17.07.2022) / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Der Petersdom ist die Grabeskirche des Apostels Petrus und gehört zu den vier Patriarchalkirchen. Die Peterskirche hat auch den lateinischen Namen "Urbis et orbis ecclesiarum speculum et decus" (Abbild und Zierde der Kirchen der Stadt Rom und des Erdkreises).

Quelle:
DR

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