DOMRADIO.DE: Wer war denn der erste Papst, der mit dem Weinbau begonnen hat?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Die Gegend um den Vatikan war in der Antike nicht besonders beliebt und nicht besonders geschätzt. Was den Wein anging, hat der römische Dichter Martial mal gesagt: "Wenn du den vatikanischen Wein trinkst, dann trinkst du Gift. Wenn du Essigkerne hast, dann magst du dieses Getränk zu dir nehmen." Also in der Antike war das keine Weingegend.
Der erste Papst, der dort Wein angebaut hat, war Urban V., der von 1362 bis 1370 regierte. Er hatte es aber gut, denn er selber residierte in Avignon und hatte dort die besten Weine zur Verfügung. In Rom war es mehr oder weniger ein Experiment. Und dieses Experiment sollte sich für lange, lange Zeit nicht auszahlen.
DOMRADIO.DE: Ich hoffe, dass der heutige Wein aus dem Vatikan und rund um Rom nicht mehr nach Essig schmeckt. Wer hat denn als Erstes im Vatikan versucht, ernsthaft Wein anzubauen?
Nersinger: Ja, erstmals hat es Leo XIII. versucht. Der war als erster Papst nach dem Ende des alten Kirchenstaates ständig im Vatikan mehr oder weniger "gefangen" und hat dann auch gesagt, "warum sollen wir nicht auch hier Wein anbauen?" Er hat sogar einen berühmten Weinbauer engagiert, der den Weinberg angelegt hat. Aber so ganz hat das auch nicht funktioniert.
Das konnte man sehen, als dann viele Jahrzehnte später Papst Pius XI. – der ja den Vatikan nach den Lateranverträgen von 1929 neu organisieren wollte – angeordnet hat, dass die Weinberge von Leo XIII. nicht mehr existieren sollten, dass man also mit der Axt vorging. Das hat viele damals aufgeregt: "Wie kann man das Andenken an Leo XIII. so missachten? Sie kennen doch den Wein? Sie haben ihn doch selber getrunken."
Daraufhin hat der Papst gesagt: "Ja, Sie haben Recht, den habe ich getrunken." Und man sah dem säuerlichen Gesicht des Papstes an, dass er von diesem Wein nicht begeistert war.
DOMRADIO.DE: Was hatten denn die Weine später für einen Ruf? Die scheinen ja nicht wirklich beliebt gewesen zu sein ...
Nersinger: Man hat dann im Grunde gar nicht mehr weiter im Vatikan oder in den vatikanischen Gärten Wein angebaut. Man hat dann den Wein aus den sogenannten Albaner Bergen, also zum Bespiel den Frascati, genommen. Das war der Wein, den man im Vatikan mehr oder weniger trank.
DOMRADIO.DE: Gab es denn mal einen besonderen Weinliebhaber unter den Päpsten?
Nersinger: Also, so ein ausgesprochener Weinliebhaber ist mir nicht bekannt, aber ich denke, dass der Großteil der Päpste kein Feind des Rebensaftes war. Im Gegenteil. Aber das einer ganz ausgesprochen ein Weinexperte war, ist mir eigentlich nicht bekannt.
DOMRADIO.DE: Und das vielleicht mal jemand zu tief ins Glas geblickt hat? Gibt es denn dazu eine Anekdote?
Nersinger: Nein, davon haben wir eigentlich keine Berichte. Wenn es schon mal "Laster" gab bei den Päpsten, dann war das eher der Schnupftabak und der Tabak, weniger der Alkohol.
DOMRADIO.DE: Und wer gehört heute zu den Weinlieferanten im Vatikan? Vielleicht ja sogar die bischöflichen Weingüter in Trier?
Nersinger: Ja, von Trier wissen wir zum Beispiel, dass seit 2022 fünf Weine des bischöflichen Weingutes in Trier in der Annona, dem Lebensmittelladen des Vatikan, angeboten werden.
DOMRADIO.DE: Und wissen Sie vielleicht, welcher Messwein heute im Petersdom verwendet wird?
Nersinger: Darüber hat man sich eigentlich nie ausgelassen. Man hat nie klipp und klar genannt, wer jetzt der Lieferant ist. Es gab früher bis in die 1970er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts sogenannte päpstliche Hoflieferanten.
Das waren dann lizenzierte Weinhändler, die den Wein in den Vatikan lieferten. Darunter waren auch Deutsche. Aber welcher Wein konkret genommen wird oder gar genommen wurde, kann ich auch nicht sagen.
Es ist übrigens so: Beim Wein kannte man auch noch bis ins vergangene Jahrhundert den päpstlichen Mundschenk. Dieser Titel klingt sehr archaisch, aber der hatte früher die Aufgabe, bei der Papstmesse den Wein zu probieren, also nicht nur jetzt, ob er gut war, sondern natürlich auch mit dem vielleicht mittelalterlichen Hintergedanken, dass der Wein vergiftet sein konnte.
Das Interview führte Tim Helssen.