Biografien der fünfzehn Märtyrer des 21. Jahrhunderts vorgestellt

"Sie können uns Vorbild sein"

Immer noch werden Millionen Christinnen und Christen weltweit verfolgt. Auch heute noch gibt es Märtyrer, die wegen ihres Glaubens ermordet werden. Prälat Helmut Moll stellt fünfzehn Märtyrer des 21. Jahrhunderts in seinem Buch vor.

Autor/in:
Johannes Schröer
Symbolbild Christenverfolgung / © moomin201 (shutterstock)
Symbolbild Christenverfolgung / © moomin201 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Für uns in Europa scheint es nahezu unvorstellbar, dass auch heute noch Menschen wegen ihres christlichen Glaubens ermordet werden. Haben Sie die Biografien der Märtyrer überrascht, auch dass es keine Einzelfälle sind?

Prälat Helmut Moll (Professor für Exegese und Hagiographie, Experte auf dem Gebiet der Märtyrerforschung): Nein, es überrascht mich überhaupt nicht, weil wir noch immer in einer Welt von Zwielicht und Schatten stehen. Der christliche Glaube ist der Glaube, der am meisten von den Menschen verfolgt wird. Das heißt, der christliche Glaube ist offensichtlich so entscheidend, dass viele Menschen in Afrika, in Asien, im Nahen Osten, aber auch in Südamerika ihn diffamieren, diskreditieren und die Menschen gewaltsam umbringen.

DOMRADIO.DE: Im Vorwort zu Ihrem Buch betont Kurt Kardinal Koch die Bedeutung für die Ökumene, die die von ihnen erzählten Märtyrerbiografien haben. Er schreibt: "Die Märtyrer der Christenheit werden uns auf dem ökumenischen Weg zur Einheit hilfreich sein." Wieso das?

Helmut Moll

"Sie sind alle für Christus in den Tod gegangen. Deshalb ist die Ökumene des Blutes heute so wichtig."

Moll: Die Feinde des Glaubens schauen nicht, ob einer katholisch, evangelisch, protestantisch, orthodox oder alt-katholisch ist, sondern sie sehen in ihm einen Christen, der ein christliches Menschenbild hat, sodass die Ökumene miteinander verbindet. Menschen sind in den Tod gegangen, ob sie katholisch, evangelisch, orthodox oder alt-katholisch gewesen sind. Sie sind alle für Christus in den Tod gegangen. Deshalb ist die Ökumene des Blutes heute so wichtig.

Prälat Helmut Moll gehört zu den Befürwortern einer Kirchenlehrerin Edith Stein.
Prälat Helmut Moll gehört zu den Befürwortern einer Kirchenlehrerin Edith Stein.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich bei der Suche nach den Märtyrern aus dem 21. Jahrhunderts auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, also auf Menschen, die aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz stammen. Wie sind Sie denn da vorgegangen? Wie haben Sie denn diese Märtyrer gefunden?

Moll: Ich habe zunächst versucht, bei Open Doors in der Nähe von Frankfurt fündig zu werden. Und sie gaben mir schon einige evangelische Märtyrer.

DOMRADIO.DE: Open Doors, muss man sagen, ist eine überkonfessionelle Institution, die sich um verfolgte Christen in aller Welt kümmert.

Moll: Genau. Dann habe ich bei der Märtyrer-Kirche in Uhldingen am Bodensee gefragt. Auch sie konnten mir neue Namen nennen. Dann habe ich bei der Argenzia Fides (Presseorgan der Päpstlichen Missionswerke seit 1927; Anm. d. Red.) des Dikasteriums für die Verbreitung des Glaubens in Rom nachgefragt und habe auch dort neue Namen gefunden.

DOMRADIO.DE: Was waren Ihre Aufnahmekriterien für die Märtyrer des 21. Jahrhunderts?

Moll: Das sind die gleichen wie auch im Martyrologium des 20. Jahrhunderts. Das heißt, erstens es sind Männer und Frauen christlichen Glaubens, die Zeugnis gegeben haben von ihrem Glauben durch ihr Tun, durch ihre Predigt, durch ihre Katechese. Und die bereit waren, am Ende sogar für den christlichen Glauben zu sterben.

DOMRADIO.DE: Das war sicher auch eine Art detektivische Arbeit, um die Angaben zu verifizieren. Ihre Arbeit musste auch wissenschaftlichen Kriterien genügen.

Moll: Die Kriterien waren mir bekannt, weil ich der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Märtyrer des 20. Jahrhunderts bin. Ich war über zehn Jahre Berater an der Heiligsprechungskongregation in Rom, sodass ich die Kriterien kannte und habe auch nur solche Personen aufgenommen, die wirklich alle drei Kriterien erfüllt haben.

DOMRADIO.DE: In dem Buch beschreiben Sie auch sogenannte Cold Cases, also Kriminalfälle, die nie aufgeklärt worden sind. Darunter ist zum Beispiel der Jesuitenpater Otto Messmer, dessen Tod in Russland von den russischen Rechtsorganen nie aufgeklärt worden ist.

Helmut Moll

"Sie haben sich aus freien Stücken entschlossen, nach Jemen zu gehen, um dort den christlichen Glauben mitten im Islam zu verkünden."

Moll: In der Tat ist der Tod des Jesuitenpaters Otto Messmer faktisch nie aufgeklärt worden. Wir wissen nicht, wer die Männer waren, die ihn in Moskau umgebracht haben. Wir können uns nur vorstellen, dass es Gegner der Kirche, Feinde des Glaubens waren, die ihn umgebracht haben, obwohl er eigentlich unschuldig ist.

Zerrissene jemenitische Flagge / © akramalrasny (shutterstock)
Zerrissene jemenitische Flagge / © akramalrasny ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Erschreckend ist auch die Geschichte von Johannes und Sabine Hentschel, die mit ihrem kleinen Kind Simon für ihren christlichen Glauben gestorben sind . Eine ganze Familie also?

Moll: Nur das eine Kind ist umgebracht worden. Die beiden anderen Kinder, die sie hatten, haben überleben können. Sie haben sich aus freien Stücken entschlossen, nach Jemen zu gehen, um dort den christlichen Glauben mitten im Islam zu verkünden. Dafür sind die beiden Eltern, aber auch das Kind umgebracht worden, weil die Islamisten in Jemen es so wollten.

Helmut Moll

"Sie sagen: Der christliche Glaube ist wichtiger als die Gefährdungen des Lebens."

DOMRADIO.DE: Sie erzählen mit diesen Biografien auch viel von den Ländern, wo es lebensgefährlich ist, sich als Christ zu seinem Glauben zu bekennen. Welche Länder sind das vorwiegend?

Moll: Man hat die Menschen, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, gefragt: Wollt ihr wirklich nach Afghanistan, in die Türkei gehen oder in den Jemen? Dort ist der christliche Glaube verfolgt, sodass sie damit rechnen müssen, dass sie umgebracht werden könnten.

Aber sie sagten, dass sie nicht schweigen könnten über das, was wir gehört und gesehen haben. Das heißt, was die Aposteln in der Apostelgeschichte gesagt haben. Das sagen auch sie: Der christliche Glaube ist wichtiger als die Gefährdungen des Lebens.

DOMRADIO.DE: Das sind aber nicht nur Mordtaten, die in fernen Ländern passiert sind. Sie erzählen auch von einer jungen Frau aus Lüneburg. Katrin Waschk hieß sie. Sie musste sterben, weil sie in ihrem christlichen Glauben verankert, eine jesidische Frau unterstützt hat.

Moll: Das ist in der Tat passiert. Das nicht nur in Afrika, Asien und Südamerika solche Märtyrer zu finden sind, sondern auch in Deutschland, weil auch viele Islamisten hier in Deutschland sind. Dadurch kommt es zu Feindseligkeiten. Und Katrin Waschk ist ein Opfer dieser Feindseligkeiten geworden.

Allerheiligen auf einem Friedhof / © Julia Steinbrecht (KNA)
Allerheiligen auf einem Friedhof / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Märtyrer, von denen Sie erzählen, kommen also aus ganz unterschiedlichen christlichen Traditionen. Das sind bei weitem nicht nur Katholiken. Wie weit ist die Bandbreite? Welchen christlichen Glaubensgemeinschaften gehörten Sie an?

Moll: Hier spürt man vor allen Dingen diejenigen, die ganz auf Christus setzen, nämlich die freikirchlichen Leute, die sich nicht an eine Konfession binden. Aber auch viele evangelische Christen und viele katholische Christen waren bereit, in diese Länder zu gehen, das Evangelium zu verkünden und sind ermordet worden.

Helmut Moll

"Wir müssen den christlichen Glauben verkünden und in der Verkündigung auch verteidigen."

DOMRADIO.DE: Was ist Ihnen besonders bei der Arbeit an den Biografien der fünfzehn Märtyrer für Ihr Buch Anfang des 21. Jahrhunderts aufgefallen? Was nehmen Sie besonders mit, auch für Ihren eigenen christlichen Glauben?

Moll: Schon das Martyrologium des 20. Jahrhunderts hat mich im Glauben bestärkt. Wir können nicht einfach bürgerlich leben. Wir können nicht angepasst leben. Wir können nicht so leben, wie die Mehrheit lebt, sondern wir müssen den christlichen Glauben verkünden und in der Verkündigung verteidigen. Das bedeutet, dass wir auch Widerstand bekommen.

Aber Christus ist stärker als die Kräfte des Unheils. Deshalb können wir sagen, dass diese Märtyrer Vorbilder für uns heute sind. Sie zeigen uns, dass wir den christlichen Glauben mutig verkünden sollen.

DOMRADIO.DE: Oft ist es auch tragisch zu lesen. Das sind oft junge Mädchen, junge Frauen, junge Männer, ein Kind. Da läuft es einem kalt den Rücken runter.

Moll: In der Tat, es sind meistens Jugendliche, die gerade erwachsen geworden sind. Sie haben den christlichen Glauben von der Wurzel her verstanden und haben sich gesagt, dass sie diesen christlichen Glauben verbreiten, verkünden, verteidigen wollen, auch wenn es ihr Leben kostet.

Das Interview führte Johannes Schröer.

"Christliche deutschsprachige Märtyrer 2000 bis 2024" mit einem Vorwort von Kurt Kardinal Koch erscheint am 20.01.2025 im Dominus-Verlag Augsburg.

Was ist ein Märtyrer?

Der Begriff Märtyrer heißt übersetzt Zeuge. Die Christen der ersten Generationen legten, nachdem sie den Glauben angenommen hatten, Zeugnis von Jesus Christus ab, zunächst durch Worte und in der Verkündigung, durch die Unterweisung und in der Predigt. In der Mitte des 2. Jahrhunderts, als Christen wegen ihrer Zeugenschaft im römischen Reich verfolgt wurden, wurde der Begriff Märtyrer genauer gefasst. Alle wegen ihres Glaubens hingerichteten Christen hießen nun Märtyrer.

Die Seelen der Märtyrer / © Illustration aus den Beatus-Apokalypsen des Meisters Pedro (8. Jhdt.)
Die Seelen der Märtyrer / © Illustration aus den Beatus-Apokalypsen des Meisters Pedro (8. Jhdt.)
Quelle:
DR

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Willibert in Rom (DR)
Willibert in Rom / ( DR )

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