DOMRADIO.DE: Wie geht es Ihren Gemeindemitgliedern gerade, mit welchen Beschränkungen müssen sie zurechtkommen?
Pfarrer Andreas Blum (Katholische Gemeinde St. Bonfiatius London): Wir sind nun in der sogenannten Warnstufe vier. Das ist etwas, was es am Wochenende eigentlich noch gar nicht gab. Es gab drei Warnstufen, London und der Südosten Englands waren bereits in der höchsten Stufe. Etwas überraschend und deshalb auch besorgniserregend war dann, dass am Samstag eine weitere Warnstufe, ein noch höherer Grad hinzugefügt wurde.
Der war mit weiteren Einschränkungen verbunden und vor allem einer Enttäuschung für das geplante Weihnachtsfest, bei dem sich eigentlich drei Familien hätten treffen können. Ich glaube, gedacht war an eine Familie mit Kindern und deren Großeltern. Das alles wurde sehr kurzfristig und überraschend am letzten Samstag wieder gestrichen. Das hat doch dann zu einiger Unruhe und auch zu einiger Traurigkeit und Enttäuschung geführt.
DOMRADIO.DE: In Krisenzeiten sind Seelsorger besonders gefragt. Wie sieht es bei Ihnen aus? Werden Sie in dieser Situation zum Beispiel Weihnachtsgottesdienste anbieten können trotz der Infektionsgefahr?
Blum: Im Frühjahr waren unsere Kirchen wirklich komplett geschlossen, sowohl zum persönlichen Gebet als auch für Gottesdienste. Das hatten wir hier fast drei Monate lang. Diesmal ist es aber so, dass wir unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen – und die sind relativ streng – Gottesdienste halten dürfen. Zumindest noch bis heute.
Die Regierung hat sich vorbehalten, wenn sich die Infektionszahlen noch weiter verstärken, vielleicht doch noch weitere Einschränkungen vorzunehmen. Wir hoffen aber, dass wir in kleinen Gruppen Gottesdienste feiern können. Für diejenigen, die nicht teilnehmen können, werden wir das wie in Deutschland und an vielen anderen Orten auch über YouTube übertragen, sodass die Leute an Weihnachten nicht ohne ihren Gottesdienst sein müssen.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind überall in Europa Flüge von und nach Großbritannien gestrichen worden. Der Eurotunnel ist dicht, die Lkw stehen quasi an der Grenze und kommen nicht durch. Macht das den Menschen in ihrem Umfeld Angst?
Blum: Angst ist vielleicht zu viel gesagt. Aber gerade vor Weihnachten und vor dem Brexit jetzt auch noch die Grenzen dichtzumachen, schafft schon auch nochmal ein weiteres Problem. Ganz konkret ist das ein Problem für viele Familien, die entweder schon nach Deutschland geflogen sind oder aber für andere, die Besuch aus Deutschland erhalten haben. Die stellen sich nun die Frage: Wie komme ich wieder zurück? Am schlimmsten hat es wohl die Familien getroffen, bei denen ein Teil schon nach Hause gefahren ist, der andere Teil noch hier sitzt und die jetzt getrennt Weihnachten feiern müssen.
Mich erinnert die ganze Situation so ein bisschen an die Anfangsphase der Pandemie, als es im Elsass so hohe Infektionszahlen gab und Deutschland auch sofort die Grenzen komplett dicht gemacht hat. Es hat dann einige Zeit gedauert, bis man in etwa die Lage einschätzen konnte und dann auch Wege finden konnte, zueinander zu kommen.
Ich schätze mal, im Moment ist es genauso mit Frankreich und England. Frankreich hat alles dichtgemacht. Ab Mittwoch sollen die Lkws wieder rollen. Die Fahrer sollen getestet werden. Da hoffen wir natürlich darauf, dass sich über die Feiertage diesen ganzen Staus auflösen – auch im Sinne der Lkw-Fahrer, die ja meistens aus Osteuropa kommen und jetzt hier in England festsitzen. Seit zwei Tagen schon müssen sie in ihren Lkws schlafen. Da hoffe ich, dass die auch nach Hause können zu ihren Familien.
DOMRADIO.DE: Spüren Sie davon schon Konsequenzen, beispielsweise dass die Supermärkte keine Waren mehr bekommen?
Blum: Also ich habe die Schlagzeilen gelesen, die von Chaos und leeren Supermarkt-Regalen sprechen. Ich bin gestern selber nochmal hier in einem Supermarkt um die Ecke gewesen. Der war gut gefüllt.
Es gab kein Gedränge, es gab keine Schlangen. Das mag woanders anders sein und manche Obst- und Gemüsesorten mag das auf längere Sicht auch betreffen. Die Supermärkte haben aber nicht zuletzt wegen des drohenden Brexits auch gut vorgesorgt, sodass eigentlich keine Sorge bestehen müsste, wenn jetzt nicht über Monate hinaus wirklich die Lieferketten zusammenbrechen.
DOMRADIO.DE: Eine Sache, die die Briten vielleicht stolz machen könnte, ist, dass der Corona-Impfstoff viel früher als in der EU geimpft werden kann. Ist das für die Briten auch ein Hoffnungsschimmer in diesen Tagen?
Blum: Sehr wohl, ja. Ich glaube, eine halbe Million sind inzwischen schon geimpft. Natürlich erst einmal nur mit der ersten Dosis, es muss ja dann noch eine zweite Dosis folgen. Das ganze Programm ist angelaufen. Ich habe sogar Gemeindemitglieder, die bereits kontaktiert wurden, dass sie jetzt diese Woche dran sind. Das schafft insgesamt schon den Streif am Horizont, auf den wir alle so warten.
Das Interview führte Tobias Fricke.