Kirchlicher Kita-Experte sieht Aufnahmekapazität erreicht

"Wir sind am Ende der Fahnenstange"

Bundesweit spitzt sich die personelle Situation in den Kindertagesstätten nach Einschätzung des kirchlichen Kita-Experten Carsten Schlepper immer weiter zu. Die Aufnahme von geflüchteten Kindern überschreite die Grenze des Machbaren.

Autor/in:
Dieter Sell
 Gaderobe in einer Kita / © Julia Steinbrecht (KNA)
Gaderobe in einer Kita / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die Einrichtungen würden durch die anstehende Aufnahme Tausender geflüchteter Kinder aus der Ukraine vor zusätzliche Probleme gestellt, sagte der Vorstandschef der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder in Bremen, Carsten Schlepper, dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Der Personalmangel schlägt voll durch, wir sind am Ende der Fahnenstange." Trotz aller Anstrengungen im Ausbildungssektor seien Fachkräfte nicht in ausreichender Zahl vorhanden.

Kita-Experte Carsten Schlepper (epd)
Kita-Experte Carsten Schlepper / ( epd )

Unzufriedenheit, Fluktuation, Vakanzen

Die Fluktuation in den Teams nehme zu, Unzufriedenheit und Konflikte führten zu kurzfristigen Abgängen, Vakanzen ließen sich nicht zeitnah besetzen, schilderte Schlepper die Lage. Damit hätten in Deutschland alle Kita-Träger zu kämpfen.

Ein Kind und seine Mutter gehen zum Eingang einer Kita / © Annette Riedl (dpa)
Ein Kind und seine Mutter gehen zum Eingang einer Kita / © Annette Riedl ( dpa )

Vor diesem Hintergrund sei eine 100-prozentige Fachkraftquote mit Erzieherinnen und Erziehern, Sozialassistenten und Elementarpädagogen nicht mehr zu erreichen. "Wir müssen die Einrichtungen auch für andere Professionen und Kita-Helfer öffnen", schlug der Vorsitzende des Diakonie-Fachverbandes vor.

Kita-Helferinnen und -Helfer könnten unterstützend im pädagogischen Bereich und besonders bei der Entlastung für tägliche Routinen eingesetzt werden, verdeutlichte Schlepper, der auch den Bremer Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder leitet.

"Außerdem wünsche ich mir auch den leidenschaftlichen
Handwerker in der Kita, den Tischler, der mit einer kleinen Kindergruppe Projekte umsetzen kann wie etwa den Bau eines Entenhauses."

Große Erschöpfung eingetreten

Schlepper warnte vor einem Teufelskreis, wenn die Arbeitsbedingungen nicht verbessert würden: "Dann gehen neu Eingestiegene bald wieder von Bord." Dabei müsse berücksichtigt werden, dass durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Belastungen ohnehin eine große Erschöpfung eingetreten sei.

Schaukelpferd in einer Kita / © Julia Steinbrecht (KNA)
Schaukelpferd in einer Kita / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Wenn nun, wie etwa in Niedersachsen geplant, mit Geflüchteten aus der Ukraine die Gruppengröße erhöht werde und zusätzliche Kinder in die Gruppen sollten, "kommen wir über die Grenze dessen, was geht". Hier könnten Übergangsangebote wie Eltern-Kind-Treffs in Kirchengemeinden Entlastung schaffen. "Außerdem müssen wir in der Gruppe der geflüchteten Erwachsenen potenzielle Fachkräfte für die Kitas identifizieren."

Die Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder mit Sitz in Berlin ist eine Fachgliederung der Diakonie in Deutschland. Sie vereint bundesweit 9.800 Einrichtungen, in denen eigenen Angaben zufolge mehr als 115.000 Beschäftigte für 550.000 Kinder im Alter bis zu zwölf Jahren arbeiten.

Kultusministerkonferenz fordert zügige Aufnahme ukrainischer Kinder in Kitas und Schulen

Experten der Kultusministerkonferenz (KMK) raten dazu, aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche möglichst schnell in Kitas und Schulen in Deutschland unterzubringen. "Alle Kinder und Jugendlichen sollten so bald wie möglich nach ihrer Ankunft die Kita oder Schule besuchen", sagte Olaf Köller, Co-Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK, am Dienstag.

In Decken gehüllt sitzen diese Kinder aus dem ukrainischen Kriegsgebiet auf einer Bank / © Paul Zinken (dpa)
In Decken gehüllt sitzen diese Kinder aus dem ukrainischen Kriegsgebiet auf einer Bank / © Paul Zinken ( dpa )
Quelle:
epd
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