Vatikanexperte würdigt Rolle des Päpstlichen Hauspredigers

"Der Nachname eines berühmten Regisseurs"

Nach 44 Jahren geht der Prediger des päpstlichen Hauses, Raniero Cantalamessa, mit 90 Jahren in Rente. 40 Jahre lang hat er für insgesamt drei Päpste Dienst getan. Aber warum braucht man überhaupt einen Hausprediger?

Autor/in:
Carsten Döpp
Kardinal Raniero Cantalamessa war 44 Jahr im Amt als Prediger des Päpstlichen Hauses. Hier an Karfreitag am 29. März 2024 im Petersdom im Vatikan. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Raniero Cantalamessa war 44 Jahr im Amt als Prediger des Päpstlichen Hauses. Hier an Karfreitag am 29. März 2024 im Petersdom im Vatikan. / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum wurden diese Prediger überhaupt eingeführt?

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): In der Regel war es so, dass die Päpste bei den Pontifikalämtern, die sie in Rom hielten, nicht selbst predigten. Die Predigt wurde von anderen, verschiedenen Geistlichen übernommen, nicht nur vom Prediger des Päpstlichen Hauses.

Am Fest Kathedra Petri hielt der Generalprokurator des Servitenordens die Ansprache, ein Priesteralumne der päpstlichen Diplomatenakademie hatte an einem anderen Tag die Aufgabe zu predigen. Am Hochfest Allerheiligen war es ein Priesteralumne des Germanicums in Rom. Es war einfach nicht üblich, dass der Papst selbst predigte. Ganz selten hat er das gemacht.

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

DOMRADIO.DE: Ist es nicht seltsam, dass Päpste jemand anderem das Wort ausgerechnet in ihrer Kernkompetenz, der Auslegung der Heiligen Schrift, überlassen?

Nersinger: Das waren andere Zeiten. Man muss auch bedenken, dass der Papst selbst nur sehr selten zelebrierte. Er hatte meistens den Vorsitz der Messe und saß dort im Chormantel, während ein Kardinal, der Kardinaldekan oder jemand anderes am Altar stand. Das war damals in Rom Usus. Ähnlich ist es derzeit ja auch wieder, bedingt durch die Krankheit des Heiligen Vaters.

DOMRADIO.DE: Wie lief das genau ab, wenn ein Hausprediger das Wort ergriff?

Nersinger: Der Prediger des Päpstlichen Hauses hatte vor allem die Aufgabe, zu zwei besonderen Zeiten zu predigen: während des Advents und während der Fastenzeit - und zwar außerhalb der Messe.

DOMRADIO.DE: Wer durfte jetzt genau das Wort ergreifen?

Nersinger: Das sind Ordensleute verschiedener Gemeinschaften gewesen, bis Papst Benedikt XIV. (1740-1758) dieses Amt ausschließlich den Kapuzinern übertrug. Sie waren ja bekannt als gute Prediger und als Volksprediger. Der ein oder andere kennt vielleicht noch den Begriff der Volksmission. Diese Volksmissionen, die zur Auffrischung des Glaubens dienen sollten, wurden ja auch von den Kapuzinern übernommen.

DOMRADIO.DE: Gibt es Prediger des Päpstlichen Hauses, die besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Nersinger: Eigentlich waren sie nur immer während ihrer jeweiligen Amtszeit bekannt, so dass die Namen nicht besonders hervorstechen. Natürlich gibt es aber auch Namen, die man einfach kennt. Der vergangene Prediger des Päpstlichen Hauses, Kardinal Raniero Cantalamessa, hatte dieses Amt 44 Jahre lang, bis er es abgab. Cantalamessa war dazu ein sehr bekannter Rundfunksprecher, der geistliche Sendungen gemacht hat, wodurch er auch einem breiteren Publikum bekannt wurde.

DOMRADIO.DE: Raniero Cantalamessa, was für ein schöner Name. Künstlername oder echt?

Nersinger: Sein echter Name. Wir haben hier an der römischen Kurie einige Namen, die uns verblüffen. Das sind durchaus echte Namen. Der neue Prediger des Päpstlichen Hauses hat auch einen besonderen Namen: Roberto Pasolini, der Nachname eines berühmten Regisseurs.

Ulrich Nersinger

"Der Prediger sollte nicht durch den Papst abgelenkt werden."

DOMRADIO.DE: Ist das auch heute noch so, dass Papst Franziskus im Nebenzimmer sitzt und zuhört, wenn der Prediger des Päpstlichen Hauses das Wort hat?

Nersinger: Nein, das gibt es nicht mehr. Der Papst saß bis Benedikt XVI. bisweilen in einem Nebenraum des Predigers und war durch eine Holzwand mit einem Gitter abgetrennt. Man fragt sich natürlich, welchen Sinn das hatte. Ich denke, das hat verschiedene Gründe gehabt: Der Prediger sollte nicht durch den Papst abgelenkt werden. Vielleicht wollte man auch nicht zeigen, wie der Papst auf die Predigt reagiert. Aber Franziskus hat das nicht mehr gemacht. Franziskus hat offen in der ersten Reihe gesessen, weil es ja auch sehr viele waren, die bei diesen Predigten zuhören sollten, sogar meistens in der Audienzhalle des Vatikans.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR
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