Heribert Prantl

Heribert Prantl / © Angela Krumpen (ak)

Obwohl Heribert Prantl für einen Kollegen kurzfristig die Tagesverantwortung übernommen hat, nimmt er sich Zeit für die Sendung Menschen und empfängt mich im 25. Stock des SZ Hochhauses. "Hier wohnen Sie also", sage ich.

Und: "Wow! Was für ein Blick! "Man ahnt Italien", lacht Heribert Prantl, erläutert mir, was ich sehe - und zeigt mir vom Konferenzraum noch München, das dem SZ-Hochhaus zumindest als Panorama zu Füßen zu liegen scheint. In Prantls Büro, wohnlich-einladend eingerichtet, meterhohe Bücherregale, Sofaecke, Kunst und Karikatur (über sich selbst) an den Wänden, beginnen wir die Sendung.

Schreiben ist Glück

"Schreiben ist Glück", hat Heribert Prantl einmal gesagt. Na, dann wird Heribert Prantl, der oft einer der einflussreichsten Redakteure Deutschlands genannt wird, wohl glücklich sein. Leitartikel, Bücher, Kommentare, Reden - Heribert Prantl schreibt ziemlich viel. Und was daran macht glücklich? "Schreiben zwingt, sich eine Meinung zu bilden, Schreiben verschafft Klarheit und Schreiben hilft zum Gespräch."

Aber Schreiben provoziert auch Widerstand. Einmal kamen nach einer Talkshow noch in der Nacht über 500 Emails. "Ein Teil davon im Stil: Sie sollten im Mittelmeer absaufen." Heribert Prantl hat dieses eine Mal alle Emails ausgedruckt. "Wenn ich mal müde werde, gehe ich dahin, um mich zu animieren." Wenn er schwächelt, geht er ausgerechnet zu den Drohmails? "Ja, weil so viel zu tun ist." Nun dürfe man aber nicht glauben, dass man mit Leitartikeln die Welt verändern könne. "Aber man kann Diskussionen anregen."

Journalismus sprengt Grenzen

Prantls Büro liegt nicht nur ganz oben. In der Chefredaktion der größten deutschen Zeitung sind auch seine Möglichkeiten "ganz oben" angesiedelt. Was sich beispielsweise in internationalen Kampagnen, wie den Panama Papers, ausdrückt: "Diese großen weltweiten Kooperationen sind faszinierend. Etwas ganz Neues." Und sie zeigen Wirkung: "Das sind Dimensionen der Pressefreiheit, die mir in den 30 Jahren, die ich im Beruf bin, neu sind." Skandale waren nationale Skandale. Die Globalisierung fand statt, hätte aber lange keine Auswirkung auf den Journalismus gehabt. "Aber jetzt findet es statt. Das ist faszinierend für die Journalisten und für die Leser, Journalismus sprengt Grenzen".

Wobei, es gehe nicht darum, sich wie ein Cowboy Kerben in den Kolben zu schlitzen. "Pressefreiheit heißt nicht, Wirbel zu machen, sondern die Dinge zum Besseren zu wenden. Den Teppich wegzuziehen, den die Mächtigen über was gebreitet haben, ist gut. Aber dann, geht die Arbeit weiter - die Bewältigung, die Aufarbeitung, was sind die Folgen, was muss passieren, dass bestimmte Dinge nicht mehr passieren." Das sei ganz schwer, wenn die Fronten so verhärtet seien, wie in der Flüchtlingspolitik. Das gehe nicht mit Appellen, nur mit Schicksalen. "Und wenn die Debatte schwierig wird, dann weil der Mensch hinter den Zahlen verschwindet."

Eine Verfassung ist eine Liebesklärung an ein Land

"Man schreibt Verfassungen, die wichtigsten Sätze, um darzulegen, wie man sich ein Land wünscht, deswegen ist eine Verfassung eine Liebeserklärung." Das Grundgesetz fasziniert ihn: "Man wusste gar nicht, wann daraus wieder ein Staat wird. Da war auch Lust da, es trotz der gigantischen Katastrophe hinzukriegen. Ein Vermächtnis für Zeit und Ewigkeit."

Trotz seiner Liebe zum Schreiben, zur Philosophie, Theologie und Geschichte hat Heribert Prantl Jura studiert, als Staatsanwalt und Richter gearbeitet. "Paragraphen sind wie Schlüssel, sie sperren einem was auf. Paragraphen sind Schlüssel zum Verstehen unserer Gesellschaft. Ich wollte nicht nur klappern und Lärm machen, sondern sie wirklich benutzen."

Ein Anruf, viele volle Papierkörbe und ein vermummter Kronzeuge

Eines Tages rief die Chefredaktion der Süddeutschen an. Heribert Prantl sortierte gerade die Waffen, die er als Staatsanwalt im aktuellen Fall eben dem Gericht präsentiert hatte. Man suchte einen Rechtspolitiker. Die Redaktion war ganz und gar gegen den katholischen Staatsanwalt. Wie Prantl seinen ersten Kommentar dann doch schrieb und sich langsam die Herzen der Kollegen eroberte, erzählt er in der Sendung.

Und er weiß, warum er die gesicherte Laufbahn als Jurist aufgab: "Ich wollte anschreiben gegen die Verrohung des Klimas. Die rechtlichen Grundlagen dafür, dass dieses Land ein Schutzland ist", sagt er. Und spricht vom Ende der 80er Jahre!! "Ich hielt es für schändlich, dass man in einer Zeit, die weit besser ist, als die Zeit, in der das Grundgesetz geschrieben wurde, beginnt, die Grundgarantien abzubauen. Wenn man hier beginnt, dann kommen andere Grundrechtsminimierungen hinterher. Und so war es ja auch." 

Gott liebt die Zornigen und die Kraft der Hoffnung

Heute geht es viel um Wut und Wutbürger. Heribert Prantl unterscheidet zwischen Wut und Zorn. Ein Wüterich verliere den Kopf, der Zornige bewahre den Verstand. Und Gott liebe die Zornigen. "Es geht mir um eine menschenfreundliche Politik. Manche sagen, sie sind doch kein Missionar. Vielleicht, wenn es um Grundrechte geht, doch. Vielleicht muss man als politischer Journalist Missionar der Menschenrechte und der Grundrechte sein."

Er will auch gegen Ohnmachtsgefühle anschreiben. "Das ist der Satz, der mir am wichtigsten ist. Man kann was machen. Und die Leserinnen und Leser und die Hörerinnen und Hörer sollen was machen. Und sollen das Denken nicht ein paar Politikern überlassen." Heribert Prantl für seinen Teil macht das schon. Die Frage ist, wie viele von uns mitmachen.

Quelle:
DR